3 % statt 1 % Zinsen: Versicherungen bieten 40 Milliarden Wucherkredit für Autobahnbau

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Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt:obwohl der Staat selbst so günstig wie nie an frisches Geld kommen könnte, setzt man auf ein von der Versicherungswirtschaft teuer finanziertes Ausbauprogramm (Screensot: ARD-Magazin Kontraste)
Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt von links nach rechts wollen mit Gründung einer Bundesautobahngesellschaft den deutschen Versicherungen ein Milliardengeschäft verschaffen: Obwohl der Staat selbst so günstig wie nie an frisches Geld kommen könnte, setzt man auf ein von der Versicherungswirtschaft teuer finanziertes Ausbauprogramm (Screensot: ARD-Magazin Kontraste)

Es klingt zunächst sehr löblich, wenn die deutschen Versicherer anbieten, der Bundesrepublik einen Kredit von 40 Milliarden Euro zu gewähren, damit sofort dringend benötigte Autobahnen gebaut oder erneuert werden können. Fast jede fünfte Autobahn ist in einem bedenklichen Zustand. Um das zu stemmen, plant die Bundesregierung, eine eigene Bundesautobahngesellschaft zu gründen, mit privaten Investoren.

Die Sache hat nur einen Haken: Würde die Bundesrepublik dafür bei Banken Kredit aufnehmen, würde es den Steuerzahler 1 Prozent Zinsen pro Jahr kosten.

Mit einem Trick verlangen die Versicherer aber 3 Prozent Risiko-Zinsen pro Jahr bei 30 Jahren Laufzeit. Sie behaupten, die zu gründende Bundesautobahngesellschaft könne pleite gehen, weil der Bund nicht haften würde. Im Positionspapier der Versicherungsgesellschaften an die drei Bundesminister schrieben die Versicherer den Satz: „Ein Haftungsverbund zwischen der Gesellschaft und dem Bund besteht nicht“.

Doch das sei Quatsch, erstens ist die Bundesautobahngesellschaft im Eigentum des Bundes und zweitens müsse der Bund laut Grundgesetz immer für den öffentlichen Verkehr haften, erklärte der Frankfurter Verfassungsrechtler Professor Georg Hermes vor wenigen Tagen gegenüber Ursel Sieber und Katharina Opalka vom Berliner ARD-Magazin Kontraste.

Professor Hermes schätzte zu dem angeblichen Risiko-Kredit ein: „Es ist Politik zu Gunsten der Versicherungswirtschaft und zu Lasten des Steuerzahlers“.

https://www.youtube.com/watch?v=Mh-xlMUyKaQ

 

Der Ökonom Professor Holger Mühlenkamp von der Universität Speyer pflichtet ihm bei und rechnet vor: Angenommen, der Ausbau einer Autobahn kostet 1 Millarde Euro: Angenommen, die Versicherer verlangen für ihr angebliches Risiko 3% Zinsen. Das sind über eine Laufzeit von 30 Jahren 530 Millionen Euro Zinsen. Anders wenn der Staat es finanziert: Als Eigentümer und sicherer Kreditnehmer müsste er nur 1% Zinsen zahlen, über 30 Jahre also lediglich 160 Millionen Euro. Die Differenz ist enorm: 370 Millionen Euro mehr. Diese Summe müssten Steuerzahler und Autobahnnutzer für den Profit der Versicherer aufbringen. Kein guter Deal, meint Professor Mühlenkamp.

Mit guter Lobbyarbeit holte sich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GdV), er sitzt gleich schräg gegenüber dem Bundesfinanzministerium in Berlin, drei Minister für die Gründung der Autobahngesellschaft ins Boot: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Siegmar Gabriel (SPD).

Sie haben ein Papier vorgelegt, wonach die neu zu gründende Bundesautobahngesellschaft künftig Autobahnen bauen, erhalten, betreiben und finanzieren soll. Sie ist im Eigentum des Bundes, darf aber Kredite aufnehmen – auch bei Versicherungskonzernen. Die Kredite müssen dann über Jahre abbezahlt werden: von den Autobahnnutzern mit der Maut und – falls das nicht reicht – vom Steuerzahler, also von allen Bürgern.

Sichere Gewinne für die Versicherungen, hohe Verluste für die Steuerzahler: Was treibt die drei Mitspieler in der großen Koalition dazu, bei so einem Deal mitzumischen?

Da ist Bundesfinanzminister Schäuble. Als oberster Buchhalter kann er so verkünden, dass er heute keine neuen Schulden macht. Denn die Schulden macht ja jetzt die Bundesautobahngesellschaft bei den Versicherungen. So einfach kann man Schulden verschwinden lassen.

Wirtschaftsprofessor Mühlenkamp erklärt: „Man streut der Öffentlichkeit Sand in die Augen. In zweierlei Hinsicht. Zum einen suggeriert man, dass man keine neuen Schulden macht, während man de facto schon Schulden macht und zum anderen ist diese Politik eben teuer. Das heißt, die Bürger beziehungsweise der Steuerzahler müssen noch mehr dafür zahlen, dass die politisch Verantwortlichen ihnen weiß machen können, wir machen keine Schulden. Also wenn Sie so wollen, ist das doppelt pervers“.

Und was treibt den Bundesverkehrsminister: Der kann jetzt stolz verkünden: Wir bauen Straßen – und zwar schnell!

Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU) sagte gegenüber Kontraste: „Wir haben ständig Debatten darüber, dass in Deutschland zu wenig Investitionen in die Infrastruktur kommen, jetzt macht man sie, auf einem Weg, auf dem man Dritte ins Boot nimmt, um diese Finanzierung sicherzustellen. Da gibt’s nichts dran zu kritisieren“.

Doch – Herr Bundesverkehrsminister! Professor Mühlenkamp kontert: „Es ist natürlich klar, dass das attraktiv für Politiker ist, den Bürgern jetzt kurzfristig mehr Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, während die Kosten dieser Politik erst in Zukunft sichtbar sind, wenn die Verantwortlichen nicht mehr in Amt und Würden sind.“

Und warum ist Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel von der SPD mit im Bunde?

Ihm sitzt die Wirtschaft im Nacken, sie will endlich raus aus dem Investitionsstau. Warum er dabei die Versicherungswirtschaft mit Steuermitteln subventionieren will, bleibt unklar. Sein Sprecher erklärte Kontraste schriftlich: Gabriel könne dazu gar nichts sagen, nichts kommentieren. Denn – Überraschung: Es handele sich nur um ein Papier aus dem Verkehrsministerium und gar nicht aus seinem Hause.

Derart aus der Affäre ziehen kann sich Sigmar Gabriel bei seinen eigenen Genossen wohl kaum. So findet SPD-Verkehrsminister Olaf Lies aus Niedersachsen den Plan mit der Versicherungswirtschaft unerträglich.

Lies (SPD): „In einer Phase, in der wir gerade sind, wo der Staat derart günstig Mittel über die Kredite finanzieren kann, da kann es nicht sein, dass wir Dritten ein Feld eröffnen, um Gewinne und Erfolg zu erzielen, wenn wir alle das mitbezahlen.“

Also wir, die Steuerzahler – und zwar die Gewinne der Versicherer.

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8 KOMMENTARE

  1. Hallo Regierung : Ich biete Euch an, den gewünschten Betrag für 2 % Zinsen an ! Ihr spart dann immer noch fast 200 Mio Euro !!! Sagt mal erhebt doch einfach einen Versicherungssoli, Nichts anderes ist es ! Betrug am deutschen Volk !!!!

  2. Treibender Kopf ist Schaeuble , ich habe vor einigen Tagen aber auch schon bei der Verkuendung seiner “ schwarzen Null “ darauf hingewiesen . Traurig aber ist das Schaeuble hinsichtlich schwarzer Null und dem Versuch mit Versicherungen den Freundschaftsdeal zu machen : der Kanzlerrin nicht die Wahrheit vorgelegt hat. Sie hoert es jetzt wohl ueber diese Medien.
    Frau Merkel entlassen Sie Herrn Schaeuble er hintergeht das Volk der BRD und auch Sie .

  3. Ein (weiterer) Turbo für die Unzufriedenheit der Bürger und ein (weiterer) Beweis, für die völlig vom Bürger abgewandten Ziele. Unerträglich. Prognose: Leider wird (auch) diese Meldung nicht wirklich Öffentlichkeit erlangen.
    Ps.: Noch nie habe ich in einem solchen Forum etwas geschrieben, aber irgendwann läuft eben jeder Eimer über.

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