Am 17. November diesen Jahres sollen die ersten Bagger anrücken. Dann sollen etliche DDR-Plattenbauwohungen in bester Lage in der Nähe zum Brandenburger Tor in der Wilhelmstraße 56 bis 59 abgerissen und durch Luxuswohnungen ersetzt werden. Der Neubau wurde von den Hotel Adlon Architekten Platzschke und Schwebel entworfen. Die Vermarktung der 165 neuen Wohnungen soll im Januar 2016 beginnen. Der Preis soll bei 490.000 Euro pro Wohnung losgehen. Oben sollen die Wohnungen zweigeschossig sein, die größte soll 600 Quadratmeter messen.
Eine österreichische Seilbahn-Unternehmer-Familie hatte den Block letztes Jahr gekauft und plant nun eine edle Ladenzeile im Erdgeschoss mit 8 Meter hohen Fensterfronten, bronzeverkleideten Säulen und Natursteinfassade mit Wohnungen darüber.
„Berlin hat dieses Haus verdient“, zitiert die B.Z. den Investoren-Vertreter Zsolt Farkas (48).
Doch während die letzten 36 noch verbliebenen Mieter im verkauften Block mit insgesamt 5 Millionen Euro abgefunden wurden, damit sie endlich ausziehen, darf der Plattenbau vis a vis auf der anderen Straßenseite der Wilhelmstraße unbehelligt stehen bleiben.
Das scheint so sicher zu sein, dass der ausführende Bauträger Dr. Oliver von Sachs von der Firma Wilhelmstraße 56-59 Immobilienentwicklungs GmbH (ansässig in der der Südlichen Münchner Straße 15 in Grünwald in Bayern) einfach auf der anderen Seite der Wilhelmstraße Ersatzwohnungen komplett sanierte und auf Wunsch auch mit Einbauküche übergab und dabei von einer Win-Win-Situation sprach.
Denn dort in der Wilhelmstraße 73 (heute Behrenstraße 1 b) hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Maisonettewohnung gelebt.
Auch die Ex-Eislaufweltmeisterin Kati Witt wohnte da. Anwalt Gregor Gysi gab nach der Wende seine Wohnung an Ex-SPD-Chef Franz Müntefering weiter.
Eigentlich glich ja ein Plattenbau in der Wilhelmstraße wie ein Ei dem anderen. Dennoch kam nun Baustadtrat Carsten Spallek (44, CDU) wegen des großen politischen Interesses, wie er sagt, auf einen möglichen Dreh, wie er die übrigen Plattenbauten in der Wilhelmstraße mit rund 800 Wohungen erhalten könne.
Spallek arbeitet an einer Erhaltensordnung und begründet den Schutz vor der Abrissbirne nicht mit einem Promi-Bonus, sondern nennt als Gründe: „Nicht in erster Linie die Bewohner, sondern die städtebauliche Eigenart. Die Kubatur der Gebäude, die Höhe, die Vor- und Rücksprünge.“
Dabei hat die Angela Merkel Platte nach ihrem Auszug in den 1990er Jahren insgesamt sehr gelitten. Laut Bezirksamt Mitte sind von den 940 Wohnungen 257 in illegale Ferienwohnungen umgewandelt worden, die als Apartments am Brandenburger Tor angepriesen werden.
Die ehemaligen Nachbarn von Angela Merkel haben einen Aufruf gegen den Missbrauch in ihrem Block, der als letzter 1990 fertiggestellt wurde, gestartet und hoffen auf Unterstützung ihrer Exnachbarin. Im Jahr 2013 erinnerten sie in einem öffentlichen Schreiben an folgendes:
„Im 8. Stock gibt es Maisonettewohnungen. Eine davon bewohnte die damalige Umweltministerin Angela Merkel, eine andere die Treuhand-Chefin Birgit Breuel. Der Aufzug hat den letzten Stopp in der 7. Etage – DDR Art, Geld zu sparen. Merkel und ihr Mann mussten immer eine Treppe zu Fuß steigen.
Auffällig war der Zigarettenqualm, der durchs Haus strömte, weil die Wach-Polizisten heftig rauchten. Der Fahrstuhl ist dann umgebaut worden, damit sich niemand dort verbergen konnte. Das war als eine Sicherheitsmassnahme für die Ministerin sowie die Treuhand-Chefin gedacht. Die Merkels waren angenehme, ruhige Nachbarn, die freundlich grüßten. Wenn Frau Merkel ihren Müll in die (damals noch auf dem Hof stationierten) Tonnen warf, dann wurde sie von zwei Bodyguards begleitet. Ihre Mülltüte trug sie aber selber durch die Gegend.
Irgendwann zogen die Merkels grußlos in ihre jetzige Wohnung gegenüber dem Pergamonmuseum. Aber bei uns im Lebensmittelgeschäft Ullrich kaufen Angela Merkel und ihr Mann oft noch ein. Das ist aus unserer Sicht ein Stück gute Nachbarschaft, wie wir sie damals pflegten. Angela Merkel bleibt uns irgendwie treu. Sie bleibt lebensnah. Sie hat uns nicht ganz vergessen. Wir hoffen und beten, dass sie ihre starke Stellung in Gesellschaft und Politik dazu nutzt, das illegale Hotel in unserem, ihrem ehemaligen Haus endlich zu beseitigen. Die Verwaltung ignoriert uns oder arbeitet gar gegen uns Bürger. Eine Intervention der Bundeskanzlerin wäre eine großartige Leistung, die ihr ganz bestimmt viel Anerkennung und Unterstützung der Bürger einbringt.“
Die Einmischung der Kanzlerin blieb aus, aber immerhin reicht der Promi-Bonus, den letzten DDR-Block in der Wilhelmstraße vor dem Abriss zu bewahren.