Aus Nobel-Kaufhaus Hertzog werden Büros ab 1.000 qm

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Das Kaufhaus Hertzog in der Brüderstraße 26 in Mitte war einst größer und mächtiger als die Wertheims und Tietzes.

Der Berliner Edelmakler Engel & Völkers Berlin Commercial aus der Charlottenstraße 4 in Mitte lädt ab sofort zur Besichtigung künftiger Büros an der einst feinsten Adresse Berlins ein.

Hier an der Wiege Berlins, in der Breiten Straße zwischen Stadtschloß und Petriplatz in Cölln (erstmals urkundlich erwähnt 1237, heute Mitte), gab es über Jahrzehnte eine bürgerliche Instanz, die mächtiger war als die Kaufhausfamilien Wertheim und Tietze und dessen Herrscher sich einst mit dem Kaiser einen Streit um die ersten Autokennzeichen lieferte und diesen auch noch gewann.

Im 4. Quartal 2016 sollen Büros (ab 1.000 Quadratmer zu Preisen von 32 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter plus 3,80 Euro Nebenkosten pro Quadratmeter) einem untergegangenen Handelsjuwel in der Brüderstraße 26 in Berlin Mitte wieder neues Leben einhauchen. Der neue Eigentümer und Bauträger ID&A Immobilien GmbH aus der Linienstraße 222 (ebenfalls Berlin Mitte) unter Leitung der Diplomkaufmänner Frank Hemprich und Ulrich Trautmann hat im Frühjahr diesen Jahres mit den Bauarbeiten begonnen.

Vom alten Glanz sollen drei zum Teil historische Aufzüge, ein imposantes Eingangsportal, Raumhöhren ab 3,50 Metern sowie orignale und neubeschichtete Stahlstützen in den Zimmern zeugen.

So soll das Bürohaus in der Brüderstraße 26 in Berlin Mitte nach der Sanierung anfang 2016 aussehen.
So soll das Bürohaus in der Brüderstraße 26 in Berlin Mitte nach der Sanierung Ende 2016 aussehen.
Eine Simulation künftiger Büros im historischen Juwel Kaufhaus Hertzog in der Brüderstraße 26 in Berlin Mitte vom neuen Berliner Eigentümer ID&A Immobilien GmbH
Eine Simulation künftiger Büros im historischen Juwel Kaufhaus Hertzog in der Brüderstraße 26 in Berlin Mitte vom neuen Berliner Eigentümer ID&A Immobilien GmbH

Den Grundstein des Kaufhauses Hertzog legte Rudolph Hertzog senior, der 1839 in der Breiten Straße (sie war vor der Straße Unter den Linden die einstige Schloßzufahrt) ein Manufakturwarengeschäft eröffnete und in den folgenden Jahrzehnten zu einem Kaufhaus ausbaute, indem er nach und nach alle Grundstücke zwischen Breite Straße, Scharrenstrasse und Brüderstraße aufkaufte und seinem Imperium einverleibte, bis ein schneckenhausartiges Gebilde entstanden war, in dem man sich zwischen der Unterkleider- und der Seidenwarenabteilung verlaufen konnte.

Vor allem für junge Mädchen, war das Kaufhaus Hertzog der Berliner Spezialist für Aussteuer, Maßkonfektion und die Lieferung in feinen Schachteln bis vor die Haustür.

Teppiche, Möbel und Textilien und Stoffe bot Hertzog in großem Stil feil. Er annoncierte seine Waren zu Festpreisen, eine unerhörte Neuerung, die in den Berliner Salons diskutiert wurde.

1908/09 krönte Hertzog junior das Warenhaus, indem er in der Brüderstraße Ecke Scharrenstraße einen Neubau im Stil des Neobarock errichten ließ.

Vor dem Ersten Weltkrieg war Hertzogs Kaufhaus das umsatzstärkste Berlins. 2.000 Angestellte (sie trugen Kaufhausuniformen) kümmerten sich um die Kundschaft, den Versandhandel, der in Spitzenjahren 60 Güterzüge füllte. Das Kaufhaus hatte auch eine Filiale in Swakopmund, damals Deutsch-Südwest.

Zu den Errungenschaften der Familie Hertzog zählt die Einführung unterschiedlicher Werbemittel wie beispielsweise Plakate, Handzettel und Annoncen. Ein gern kopiertes Novum war vor allem die sogenannte Agenda, eine kostenlos ausliegende Broschüre, die durch eine kurzweilige Aufbereitung gesellschaftlicher oder kultureller Ereignisse die wartende Kundschaft zu unterhalten suchte. Auch wurde für die Angestellten in für die damalige Zeit außerordentliche Weise Sorge getragen: Neben der Einführung von Sozialleistungen standen den Mitarbeitern auch eine Bibliothek, Erfrischungsräume und eine preisgünstige Kantine zur Verfügung. Fortschrittlich war auch die eigene Erzeugung von Elektrizität für Beleuchtung, Wärme und Kühlung.

Hertzogs Gebäudeensemble umfasste fast das gesamte Karree zwischen Brüderstraße, Scharrenstraße und Neumannsgasse. Die vorhandenen Patrizierhäuser baute er nach seinen Vorstellungen um, ließ aber wertvolles Barockinterieur stehen.

Aus Hertzogs Vita ist folgende Geschichte mit dem Kaiser überliefert:

Rudolph Hertzog junior kaufte sich das erste private Auto Berlins und ließ sich das Nummernschild IA-1 registrieren. Als der Kaiser davon hörte, schaffte er sich auch ein Privatauto an, wollte aber nicht die nachrangige Ziffer -2 akzeptieren. Wilhelm-Zwo klagte gegen Hertzog auf Herausgabe des IA-1-Nummernschildes, unterlag aber vor Gericht. Fortan fuhr Wilhelm einfach ohne Kennzeichen.

In der Weltwirtschaftskrise 1929 verlor Hertzog sein Vermögen, der Geschäftsbetrieb lief aber bis zum Kriegsende weiter. 1945 enteigneten ihn die Sowjets. Im 2. Weltkrieg war der 6stöckige vollunterkellerte Prunkbau teilweise zerstört worden. In den 1960er Jahren wurde die Fassade vereinfacht wiederhergestellt. So ist die Fassade zur Brüder- sowie Scharrenstraße zwar als Gründerzeitfassade im Neobarockstil mit Stuckelementen noch immer vorhanden, die Fassade zum Hof ist jedoch nur einfach verputzt. Das Gebäude wurde auch im Inneren in den 1960er Jahren wieder hergerichtet und bis zur Wiedervereinigung als Modezentrum genutzt.

Das ehemalige Kaufhaus Hertzog ist in der Denkmalliste des Landes Berlin als Baudenkmal eingetragen. Nun wird es zu modernen Büros auf einer gewerblichen Nutzfläche von 7.066 Quadratmetern saniert. Bei der Sanierung werde der historische Charme erhalten bleiben, verspricht Engel & Völkers.

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3 KOMMENTARE

  1. Was Engel & Völkers da in Berlin hinstellen, ist wunderschön. In Berlin herrscht gerade ein Kampf zwischen denen, die es schöner machen wie Engel & Völkers, und denen, die es verdrecken wie Penner und Flüchtlinge und Asoziale. Hoffentlich gewinnen die Kulturmenschen! Ich freue mich auf ein schönes Berlin.

  2. Das wäre doch auch mal ein Konzept für die „fast“ insolvente Karstadt-Kette. Einfach mal bei Engel & Völkers nachfragen, ob die kein Interesse an dem Warenhaus haben. Nur die Mitarbeiter müssten dann auf Bürokaufmann/frau umgeschult werden.

    Spaß beiseite: Die Entwürfe sehen schon echt schnicke aus!

  3. Kommerz überall!!! Man könnte doch statt super tollen Büro Gebäuden auch Flüchtlichsunterkünfte bauen!? Daran denkt der Kapitalismus natürlich nicht. Die Büros sehen trotzdem ganz schnieke aus 😛

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