Beate Uhse schreibt rote Zahlen, der Mietvertrag gegenüber dem KaDeWe scheiterte. Das Berliner Start up Amorelie dagegen gewinnt Frauen mit Toyparties à la Tupper.
Berlin wurde der Beate Uhse AG zu teuer. Nach dem Auszug des Beate Uhse Museums aus dem Schmuddelkarree am Bahnhof Zoo im August 2014 hat das Flensburger Erotik-Unternehmen kein neues Domizil mehr in Berlin gefunden.
Das Kreuzberger Hinterhof-Startup Sonoma Internet GmbH mit seiner Internet-Marke Amorelie.de aus der Rocket-Schmiede der Samwer-Brüder dagegen ist mit der Zielgruppe Frauen, Schwule und Ältere und einem Verzicht auf Fetische seit 3 Jahren im Aufwind. Wie es bei Tupper Parties für Schüsseln gibt, veranstaltet Amorelie Toyparties für Dildos, Düfte und Dessous. Eine Amorelie-Beraterin kommt zu Hausfrauen nach Hause und gibt Tipps für ein verführerisches, abwechslungsreiches Liebesleben.
Wer nun aber partout auf Fetische steht und an einem der eintrittsfreien Beate-Uhse-Bondage-Workshops teilnehmen will, muss nun bis nach Bonn an den Bischofsplatz 4 (29. April 2016, 20 bis 22 Uhr oder nach Bochum an den Kurt-Schumacherplatz 9 (28. April 2016, 20 bis 22 Uhr) oder Leipzig in die Merseburgerstraße 259 (6. Mai 2016, 20 bis 22 Uhr) fahren.
Eigentlich wollte Beate Uhse ans Edelkaufhaus KaDeWe ziehen. Der Mietvertrag für die neuen Ausstellungsräume (300 Quadratmeter) und den Sex-Shop (200 Quadratmeter) im 1. Stockfür des rosa Gebäudes in der Tauentzienstraße 4 war unterschriftsreif.
Beate Uhse wollte weg von dem Schmuddelimage.
Kino und Sexkabinen werde es nicht mehr geben, sagte Unternehmenssprecherin Doreen Schink (37) drei Wochen nach Schließung am Zoo der BILD. Schink: „Wir haben ein völlig neues Konzept. 70 Prozent unserer Kunden sind mittlerweile weiblich. Unsere Filialen gehören inzwischen zu jedem Shoppingbummel dazu.“
Doch das Vorhaben scheiterte am Geld.
Im November 2014 galten die Mietverhandlungen als gescheitert, da sich beide Seiten nicht einig werden konnten, wie Sprecherin Doreen Schink gegenüber rbb online bestätigte. Gründe für das Scheitern nannte Schink jedoch nicht, da die Details vertraulich seien.
Expansionsbeauftragte und die Geschäftsführung stünden weiter mit Maklern in Kontakt, hieß es. Das Erotikmuseum würde zwar gerne wieder im Herzen der City West eröffnen, generell sei man jedoch offen für jegliche Objekte, sofern sie zentral und gut erreichbar gelegen sind.
Doch daraus wurde nichts. Im letzten Jahr musste die Beate Uhse AG drei weitere Filialen in Deutschland schließen. Im 1. Quartal diesen Jahres folgen noch 13 Filialschließungen in den Niederlanden. Insgesamt wurden 150 Mitarbeiterstellen gestrichen.
Das Kataloggeschäft wurde gänzlich eingestellt. Der letzte Katalog wurde am diesjährigen Valentinstag (14. Februar 2016) ausgeliefert.
Am 9. Juli 2014 hatte sich die börsennotierte Beate Uhse AG an der Börse von Privatanlegern 30 Millionen Euro geliehen. Dafür legte der Konzern eine Mittelstandsanleihe mit fünfjähriger Laufzeit auf, die also am 9. Juli 2019 zurückgezahlt werden muss. Die Anleihe soll den Anlegern einen jährlichen Zinssatz von 7,75 Prozent bringen. Die Anleihe ist frei handelbar.
Doch die Anleihe befindet sich seit November 2015 im freien Fall und hat im Augenblick nur noch einen Wert von rund einem Fünftel ihres ursprünglichen Wertes, wie der Finanznachrichtendienst GoMoPa.net berichtete.
Die Beate Uhse AG hatte im Oktober 2015 eine Gewinnwarnung an die Aktionäre herausgeben müssen. Am 2. Februar 2016 gab Finanzvorstand Kees Vlasblom bekannt, dass er für das letzte Geschäftsjahr 2015 mit einem Vorsteuerergebnis von bis zu 15 Millionen Euro rechne.
Mit der Trennung von unrentablen Filialen, Mitarbeiterentlassungen und TV-Spots im deutschen, französischen, niederländischen und belgischen Sendern sowie Stärkung des Online-Handels will der niederländische Chef (Beate Uhse starb 2001) das Ruder herumreißen.
Kein Durchbruch bei Muslime
Schon vor Jahren schwenkte Beate Uhse um, gestaltete alles neu – vom Firmenlogo über die Internetseite bis zur Shopeinrichtung: verspielter, heller, freundlicher. Offenbar ohne durchschlagenden Erfolg. Auch ein vor sechs Jahren gegründetes Joint Venture mit dem Onlinehändler El Asira brachte nicht die Wende: Über diese Marke nahm Beate Uhse gläubige Muslime in den Blick. Für viele sind Dildos und Pornos Höllenzeug – Dessous, Cremes und duftende Massageöle ohne Alkohol aber konform mit der Scharia.
Beate Uhse wurde vom Berliner Start up Amorelie ausgebootet
Die direkte Konkurrenz kommt aus Berlin von der 2012 gegründeten Firma Amorelie aus dem Paul-Lincke-Ufer 39 in Kreuzberg. Das Start-up hat im Sommer 2015 für zwei Wochen 200 große Plakatflächen vorerst nur in Berlin gebucht, die die 75 Mitarbeiter selbst hergestellt haben und bei denen für Sexspielzeug (Doppeldildo zum Preis von 79 Euro) geworben wurde, das für „multiple Orgasmen“ sorge. Am 5. Februar 2016 ließ die Geschäftsführung von Amorelie als neues Highlight in einem Hinterhof am Paul-Lincke-Ufer in Berlin-Kreuzberg eine Lagerfeuertonne und drei mannshohe Eissäulen aufstellen. Darin tiefgefroren lagen Dildos, Vibratoren, Penisringe und Liebeskugeln, die vom Design her nicht alle auf den ersten Blick als solche zu erkennen waren. Hippe Mitte-20-Jährige aus den umliegenden Firmen meißelten das Spielzeug gackernd aus den Blocks. Auch ein paar Passanten schauten sich den Spaß an.
Der Onlinehändler von Amorelie, von Sebastian Pollock und Lea Sophie Cramer aus dem Rocket-Internet-Kosmos der gegründet, nimmt ebenfalls junge Frauen ins Visier und schließt vom Sortiment her auch keine Altersgruppe oder Homosexuelle aus, wie Amorelie-Sprecherin Johanna Rief dem Tagesspiegel erklärte.
„Einen interessanten Markt sehen wir auch in der gehobenen Altersgruppe“, so Rief weiter. Denn Sex in der Generation 60 plus sei nach wie vor ein gesellschaftliches Tabuthema. Man bediene aber keine sexuellen Fetische und sei daher für Personengruppen, die das bevorzugten, weniger interessant, meint Rief. So grenzt sich die Firma, die zu 75 Prozent der ProSiebenSat1 Media AG gehört, ab von Vertriebsfirmen wie der 2004 in Berlin-Weißensee gegründeten Firma Dildoking, die stärker die Schwulenszene und Fetischfreunde anspricht.