Berlin: Jedes 5. Kind unter 11 Jahren kann nicht schwimmen

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In Berlin stehen in kinderfreundlichen Zeiten zwischen 17 und 19 Uhr zu wenige Schwimmlernflächen zur Verfügung, sagt Martin Weiland, Vizerpräsident des Berliner Schwimm-Verandes e.V. aus Alt-Hohenschönhausen (Foto: Berliner Bäderbetriebe, Ferienkurse)
In Berlin stehen in kinderfreundlichen Zeiten zwischen 17 und 19 Uhr zu wenige Schwimmlernflächen zur Verfügung, sagt Martin Weiland, Vizerpräsident des Berliner Schwimm-Verandes e.V. aus Alt-Hohenschönhausen (Foto: Berliner Bäderbetriebe, Ferienkurse)

Fast jedes 5. Berliner Kind kann noch nicht schwimmen, wenn es in die Schule kommt, berichtete gestern rbb Aktuell. Für den Schwimmunterricht ist es dann schwierig, weil sich manche eben noch gar nicht, andere irgendwie über Wasser halten können, während andere schon ganze Bahnen schaffen. Ab dem 3. Grundschuljahr (9 Jahre) ist Schulschwimmen in Berlin ein Pflichtfach.

Aber selbst der Schulunterricht verbessert das Ergebnis dann bei 10jährigen Berliner Kindern nicht.

Der Tagesspiegel beruft sich auf Studien und schreibt, dass  der Anteil der Nichtschwimmer nach diesem Unterricht in den 3. Klassen des Schuljahres 2014/15 berlinweit bei 18,2 Prozent lag. In Neukölln waren es gar 31 Prozent, in Mitte und Spandau 26,5 beziehungsweise 24,6 Prozent. Die wenigsten Nichtschwimmer hatten Steglitz-Zehlendorf (11,5), Treptow (11,3), Marzahn–Hellersdorf (10,8) und Pankow (9,7).

Manche fordern, dass der Schwimmunterricht an den Schulen früher beginnt, andere sehen die Ursache für die vielen Nichtschwimmer in den immer weniger werdenden kommunalen Bädern. Lehrer berichten aber auch, dass Schüler angeblich wegen Krankheit nur einmal im Monat, wenn überhaupt, am Schwimmunterricht teilnehmen – manchmal auch aus religiösen Gründen.

Laut Studien des DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft) kann bereits jedes zweite 10jährige Kind in ganz Deutschland nicht schwimmen. Im Berliner Stadtbezirk Neukölln sind es 40 Prozent, im Unterbezirk Neukölln-Nord sind es sogar 80 Prozent. „Deutschland entwickelt sich zu einem Nichtschwimmer-Land“, sagte Achim Wiese (55), Sprecher der DLRG, schon vorigen Sommer der BILD.

„Das liegt mit daran, weil immer häufiger der Schulsport ausfällt, weil zunehmend Bäder geschlossen werden. Nur 25 Prozent aller Grundschulen haben Zugang zu einem Schwimmbad.“ Dabei muss schwimmen „und unter Wasser atmen gelernt werden, da der Mensch von Natur ein Läufer für festen Boden ist“, sagt Wiese.

Kümmern sich die Eltern zu wenig darum?

Der stellvertretende Präsident des Berliner Schwimmverbandes e.V. mit Sitz im Holiday Inn Berlin City-East in der Landsberger Allee 201 in Alt-Hohenschönhausen, Martin Weiland, antwortete gegenüber rbb Aktuell: „Da gibt es sehr wahrscheinlich unterschiedliche Aussagen. Weil Eltern teilweise auch nicht die finanziellen Mittel haben, ihre Kinder ins Schwimmbad zu schicken. Aber ich glaube auch aus der Vergangenheit, dass viele Eltern schon sensibler geworden sind. Aber für sie ausreichend ist, wenn ihr Kind die Nase übers Wasser halten kann. Aber es ist kein richtiges Schwimmen. Und es ist ein Trugschluß zu sagen: Mein Kind kann schwimmen.“

Eine Familienkarte für zwei Erwachsene und bis zu fünf Kindern kostet bei den Berliner Bäderbetrieben 11,50 Euro. Wenn man vor 15 Uhr kommt, zahlt man als Erwachsener 3,50 Euro. Für Kinder unter 5 Jahren ist der Eintritt frei. Sind die Preis ok?

Weiland: „Im Allgemeinen halte ich die Preise für gerechtfertigt. In bestimmten Bezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg, wo sozialschwache Familien sind, hat man natürlich Probleme, die Summen zusammenzubekommen. Im Bundesschnitt sind die Berliner Bäderbetriebe nicht so teuer, dass man es sich nicht leisten könnte. Es wird immer Rausreißer geben. Das lässt sich nicht vermeiden. Aber vom Grundsatz her glaube ich, dass die Preise auch gerechtfertigt sind.“

Arndt Breitfeldt von rbb Aktuell fragt nach: „Wenn man jetzt Eltern erreichen will und ihnen sagen, ihr müsst eure Kinder zum Schwimmen bringen. Wie kann man die erreiche?“

Weiland: „Ich sehe das praktisch bei den Vereinen, dass durch die Kommunikation der Kinder untereinander die Eltern motiviert werden, die Kinder vielleicht mal zum Schwimmen zu schicken. Wenn ein Freund kommt und sagt, wie schön es im Wasser ist, dass die Eltern dann doch sehen, wir sollten vielleicht dieses Angebot wahrnehmen. Es gibt ja auch die Möglichkeit, nicht sofort in einem Verein einzutreten, sondern erst einmal so ein Probetraining zu machen. Und dann wäre vielleicht auch eine Möglichkeit, die Eltern mehr mit einzubeziehen.“

Arndt Breitfeldt: „Wie bewerten Sie die Situation in den Hallenbädern? Gibt es zu wenig Platz? Nichtschwimmerbecken, Kleinkinderbecken gibt es ganz selten.“

Weiland: „Das Problem ist, dass Kinder auch kinderfreundliche Zeiten brauchen. Die Fläche ist begrenzt und man kann ein Kind nicht nach 20 Uhr zum Schwimmen holen. Da ist die Zeit immer so zwischen 17 und 19 Uhr, aber da ist die Fläche sehr begrenzt.“

Viele Berliner Kinder besuchen im Schulalter zum ersen Mal eine Schwimmhalle.

Ein Grund ist, dass viele Schwimmhallen wie das Kombibad Mariendorf nicht die wirklich passenden Bedingungen bieten. Andreas Scholz-Fleischmann, Vorstand der Berliner Bäderbetriebe, sagte rbb Aktuell: „Wir sind heute sehr auf Sport hier ausgerichtet. Was ein bisschen fehlt, sind Angebote für Kleinkinder. Und überhaupt für Kinder, die noch nicht schwimmen können. Dafür gibt es nicht die richtigen Becken.“ Das Kombibad wird nun entsprechend umgebaut.

Aktion Deutschland schwimmt

Vielen Kindern ist Wasser ein bisschen unheimlich. Aber wer schwimmen lernen will, braucht erst mal Spaß am Wasser und Erfahrung damit.

Deshalb veranstaltet der Deutsche Schwimm-Verband e.V. aus Kassel mit seinen Landesverbänden und seinen 2.500 Schwimmvereinen in Deutschland gemeinsam mit Disney Deutschland von Juli bis Oktober die Aktion „Deutschland schwimmt“. Es geht darum, mit Aktionen, Spiel und Spaß Lust aufs Schwimmen zu machen. Martin Weiland: „Verschiedene Bezirke machen in eigener Regie Veranstaltungen. Zum Beispiel in Neukölln. Auch die Bäderbetriebe bieten Aktionen an. Und da finde ich es wichtig, dass Kinder aus sozialschwachen Familien die Möglichkeit erhalten, sich dem Schwimmsport zu nähern.“

Inspiration für diese Kampagne liefert Dorie, eine blaue Paletten-Doktorfisch-Dame. Sie und weitere fröhliche Charaktere aus dem neuen Disney Pixar Kinohit „Findet Dorie“ (Kinostart: 29. September 2016) sind die Stars der deutschlandweiten Kampagne „Deutschland schwimmt“. Robert Langer, Geschäftsführer von Disney Deutschland: „Schwimmen ist eine großartige Möglichkeit für Kinder und Familien, zusammen aktiv zu sein. Gut schwimmen zu können ist für Kinder und Erwachsene gleichermaßen wichtig. Wir freuen uns, die beliebten Charaktere aus ‚Findet Dorie‘ zu nutzen, um das Thema Schwimmen gemeinsam mit dem DSV und Franziska van Almsick zu unterstützen.“

Franziska van Almsick, mehrfache Welt- und Europameisterin im Schwimmen und Botschafterin der Kampagne, weiß: „Es können immer noch viel zu viele Kinder nicht schwimmen, schlichtweg weil sie es nie richtig gelernt haben oder nie die Chance hatten, es zu lernen. Gemeinsam mit Disney möchte ich in diesem Sommer ein Zeichen setzen und ganz Deutschland für das Schwimmen begeistern.“

Die Aktion „Einfach Schwimmen mit Dorie“ richtet sich vor allem an Kinder, die richtig schwimmen lernen wollen: Alle, die im Aktionszeitraum seit 15. Juli bis 31. Oktober 2016 ein Schwimmabzeichen ablegen und ein Foto ihrer Urkunde auf www.disney.de/mach-mit hochladen, erhalten als Anerkennung ein „Findet Dorie“ Spaßpaket.

Am 24. September 2016 gibt es dann das große ein Finale in 21 Berliner Bädern. Martin Weiland: „Es wird ein großes Charity-Schwimmen sein, wo alle Berliner die Möglichkeit haben, in diesen 21 Bädern Bahnen zu schwimmen, wo man pro Bahn eine bestimmte Summe zur Vefügung stellt, die dann später mal für den Berliner Schwimmsport wiederverwendet  werden soll.“

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