Bosnien: Das Tor der Terrormiliz IS nach Europa

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Der Bosnier Husein Bilal Bosnic gilt als führender Kopf des IS in Bosnien-Herzegowina, im November wurde er zu 7 Jahren Haft verurteilt. Sein radikaler Islam breitet sich dennoch weiter aus (Foto: Youtube)
Der Bosnier Husein Bilal Bosnic gilt als führender Kopf des IS in Bosnien-Herzegowina, im November wurde er zu 7 Jahren Haft verurteilt. Sein radikaler Islam breitet sich dennoch weiter aus (Foto: Youtube)

Die Dörfer im bergigen Nordbosnien gelten als Keimzelle für IS-Kämpfer – und auch als eine Anlaufstelle auf dem Rückweg nach Europa. Geheimdienste vermuten hier auch Trainingscamps für Dschihadisten. Die Grenze von Bosnien zum EU-Mitglied Kroatien im Norden ist löchrig.

Ein inzwischen berühmt-berüchtigtes Beispiel ist Gornja Maoca.  Ein kleines Dorf im Mjevics-Gebirge im Nordosten von Bosnien und Herzegowina. Etwa 200 Menschen leben hier und interpretieren den Islam extrem streng. Es gilt als Salafistendorf.

Sprecher der Dorfgemeinschaft ist Edis Bosnic. Der 35-Jährige gibt sich friedlich, ist aber auch fasziniert von der Idee des Islamischen Staates, ein weltweites Kalifat zu errichten. Für ein Schaf gab er dem Deutschlandfunk Anfang Februar 2016 ein Interview: „Ob das unser Wunsch ist? Aber klar“, sagt er. „Natürlich wollen wir, dass alle Muslime in einem Staat leben, wo wir keine Probleme mehr haben. Wo alle Muslime ein und denselben Reisepass besitzen. Wo drauf steht, dass ich an Allah glaube. Und an unseren Propheten Mohammed.“

Anhänger radikaler Salafisten und der Al-Nusra-Front

Bosnic trägt einen langen Bart und eine Gebetsmütze. Auf Twitter folgt er radikalen Salafisten, so dem IS-Rekrutierer Abu Muthanna, aber auch der islamistischen Al-Nusra-Front, die in Syrien kämpft. Die Polizei war hier mehrfach zu Razzien. Ein Dorfbewohner hatte vor vier Jahren die US-Botschaft in Sarajevo beschossen. Es folgten Verhaftungen. Auch Bosnic kam kurzzeitig ins Gefängnis.

Einige bosnische Staatsanwälte halten Gornja Maoca für ein Transitlager, in dem Kämpfer für den Islamischen Staat ausgebildet und vorbereitet werden. Dem ZDF Auslandsjournal sagte er nun vier Monate später ohne Schafsspende: „Das ist doch alles frei erfunden. Sie behaupten das einfach, weil sie keine Konsequenzen fürchten müssen, wenn sie solche Lügen verbreiten.“ Aber: Mehrfach musste die Polizei kommen, weil sie hier die Fahne des Islamischen Staates gehisst hatten.

Sie wollen den muslimischen Brüdern helfen

Seit 2013 ist die Reise nach Syrien oder Irak für Bosnier gesetzlich verboten. Bisher haben sich mehr als 200 bosnische Kämpfer aufgemacht, vor allem nach Syrien, um mit dem IS gegen Assad zu kämpfen. Einige wohl auch aus Gornja Maoca. Edis Bosnic: „Die Menschen haben die Nachrichten verfolgt. Gesehen, wie ihre Glaubensbrüder ermordet und tagtäglich unterdrückt werden. Ihr Gewissen treibt sie dazu. Sie gehen dahin, um ihren muslimischen Brüdern zu helfen. Das religiöse Band ist weit stärker als das nationale.“

Sefik Cufurovic ist ein trauriger Mann. Seine Frau ist weggelaufen. Er hat Ärger mit den Behörden. Und er lebt in einer kargen Hütte. Aber, was ihn richtig betrübt, ist, dass er seinen Sohn an den radikalen Islam verloren hat. Bevor Ibro das Familienband zerschnitt und zum IS nach Syrien aufgebrochen ist, hat er alle Fotos von sich vernichtet und seinen Vater als Ungläubigen beschimpft.

Es gibt ein Fahndungsfoto von Europol.

Hütete erst Schafe und Ziegen für den radikalen Islamisten Husein Bilal Bosnic: Ibro Cufurovic aus den Nordosten Bosniens. Dann beschimpfte er seinen Vater als Ungläubigen und zog in den IS-Krieg nach Syrien. Europol fahndet nun nach dem mutmaßlichen Terroristen (Foto: Interpol/ZDF Auslandsjournal)
Ibro Cufurovic (21) aus dem Norden Bosniens hütete erst Schafe und Ziegen für den radikalen Islamisten Husein Bilal Bosnic. Dann beschimpfte er seinen Vater als Ungläubigen und zog in den IS-Krieg nach Syrien. Europol fahndet nun nach dem mutmaßlichen Terroristen (Foto: Interpol/ZDF Auslandsjournal)

Der 21-Jährige Ibro Cufurovic wird gesucht wegen Organisation einer terroristischen Vereinigung. Es bricht das Herz des Vaters. Ibro war ein guter Schüler und hatte die Schule abgeschlossen. Dann traf er diesen Radikalen. Sefik Cufurovic: „Nach dem Abschluss hatte er unser Haus verlassen. Und er ist zu diesem Bilal Bosnic gegangen. Er hat Schafe und Ziegen für ihn gehütet.“

Bilal Bosnic ist einer der wichtigsten Drahtzieher der Islamisten in Bosnien.

Anstiftung zu Terrorismus und Rekrutierung von Freiwilligen für den IS wurden ihm vorgeworfen. Im November wurde Husein Bilal Bosnic in Bosnien zu sieben Jahren Haft verurteilt.  Vlado Azimovic, Terrorismusexperte an der Universität Sarajevo: „Bosnic hat eine sehr überzeugende verführerische Art. Seine Jünger folgten ihm. Er hat religiöse Zitat so interpretiert, dass sie schließlich glaubten, dass der einzige Weg zur Erfüllung im Glauben es ist, auf Gottes Pfad zu sterben. Zu töten und getötet zu werden.

Bilal Bosnic lebte bis zu seiner Gefägnisstrafe in seinem großen Haus mit vier Frauen und 18 Kindern. Die Scharia erlaubt Vielweiberei, das bosnische Gesetz nicht. Ibro Cufurovic, der verlorene Sohn, der nach Syrien aufbrach, verkehrte hier.

In dieser Gegend im Nordwesten Bosniens gibt es auffällig viele neue und große Moscheen. Das Geld dafür stammt wahrscheinlich aus den Golfstaaten und Saudi Arabien. Geheimdienste vermuten in der Gegend Trainingscamps für Dschihadisten und Islamistische Zellen. Politik-Wissenschaftler Vlado Aninovic: „Für den IS ist Bosnien ein Land, in dem man sich ausruhen kann. In dem ein IS-Kämpfer seine Identität wechselt und dann weiter in die Europäische Union reisen kann. In Bosnien kann man neue Leute rekrutieren. Und logistische Unterstützung besorgen.“

Die Grenze zum EU-Mitglied Kroatien im Norden Bosniens ist an vielen Stellen durchlässig.

Ideal, um Attentäter, Waffen oder Geld nach Europa zu schmuggeln. Bei den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015, bei denen 130 Menschen ums Leben kamen, wurden auch Waffen benutzt, die in Jugoslawien produziert wurden.

Freitagsgebet in Velika Kladusa. In der dortigen Moschee ging Ibro Cufurovic, der verlorene Sohn, beten, bevor er nach Syrien ging. Auch in der Moschee tragen einige lange Bärte und Hosen bis zu den Knöcheln – die Erkennungszeichen der Ultrafrommen. Manche haben in Deutschland oder Österreich gelebt. Einer sagte: „In Kladusa bei uns gibt es sehr viele gläubige Muslime. Und sie haben Bärte so wie ich und bedeckte Frauen. Aber in Bosnien ist es so: Der Islam ist zurückgeblieben. Mit dem Verständnis. Die Leute verstehen den Islam hier nicht.“ Die normalen bosnischen Muslime leben einen toleranten Islam. Kopftücher waren hier lange eher selten zu sehen. Doch das ändert sich gerade. Und die Zahl der religiösen Eiferer nimmt zu. Auch in den Städten wie Sarajevo wird rekrutiert und radikalisiert. „Bosnien, so scheint es, ist zum Rückzugsraum für Islamisten geworden – mitten in Europa“, urteilt Stephan Merseburger vom ZDF Auslandsjournal nach seiner Rückkehr aus Bosnien Herzigowina.

Spuren aus dem Bergdorf führen auch in die Salafisten-Szene von Wien, etwa zu dem radikalen Prediger Ebu Tejma, dem gerade in Graz der Prozess gemacht wird. Mijo Kresic, stellvertretender Minister für Innere Sicherheit gab gegenüber dem Deutschlandfunk zu: „Offensichtlich haben wir einigen Dingen nicht genügend Beachtung geschenkt“, sagt er. „Denn inzwischen hat sich die Zahl derjenigen multipliziert, die verfassungsfeindlich sind. Die statt Demokratie ein Leben ausschließlich unter der Scharia wollen.“

Dorfbewohner von Gornja Maoca hoffen auf EU-Beitritt

Salafisten aus Deutschland loben die fromme Gesinnung der Bewohner von Gornja Maoca und rufen zu Spenden auf. Dass Bosnien jetzt einen Antrag auf EU-Beitritt stellen will, davon ist Dorfsprecher Edis Bosnic begeistert. Er träumt schon von einer islamischen Mission ohne Grenzen.

„Wenn Bosnien eines Tages der EU beitritt, dann würde uns das viele Türen öffnen“, sagt er. „Dann könnten wir auch woanders aktiv werden. Das wäre viel leichter bei offenen Grenzen. Wir könnten unseren wunderschönen Islam dann auch an die Deutschen weitergeben.“

In Bosnien selbst ist bereits eine schleichende Islamisierung zu beobachten, selbst in der Hauptstadt Sarajevo. Möglich machen es laut Stephan Ozsvath vom Deutschlandfunk saudische Petro-Dollars. Nicht nur die größte Moschee haben Saudis gebaut, sondern auch zwei riesige Shoppingmalls. Dort gibt es einen Gebetsraum – ungewöhnlich für Bosnien. Und im Supermarkt wird kein Alkohol verkauft.

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5 KOMMENTARE

  1. Ich habe immer gedacht die Serben sind die bösen?!?Muß ich mir jetzt Sorgen machen?!

  2. Die verstärkte Hinwendung zum Islam in Bosnien dürfte eine Folge des Bürgerkriegs sein. Davor gab es in Bosnien eine religiös tolerante Gesellschaft. Michael Kiesen, Autor

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