degewo AG: Neue Wege im Wohnungsbau – schneller, billiger, bedarfsgerechter

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24 Wohnungen entstehen nach dem neuen degewo-Muster im nächsten Jahr in der Regattastraße in Köpenick. (Planungsfoto: degewo AG)
24 Wohnungen entstehen nach dem neuen degewo-Muster im nächsten Jahr in der Regattastraße in Köpenick. (Planungsfoto: degewo AG)

Berlins größtes Wohnungsunternehmen, die degewo AG aus Tiergarten, hat angeblich den Bogen raus, mit gleichem Geld mindestens anderthalb wenn nicht sogar doppelt so viele Wohnungen zu bauen. Die aktuellen Spar-Maßnahmen beim degewo-Neubauprogramm erinnern ein bisschen an den Plattenbau der siebziger Jahre – nur eben zeitgemäßer (einige haben Solardächer) und möglicherweiser bedarfsgerechter (Grundrisse für Singles, Senioren oder Familien). Die Architektenkammer Berlin aus Kreuzberg warnt jedoch vor einer Architektur ohne Wettbewerb von der Stange.

Die degewo AG mit Hauptsitz in der Potsdamer Straße 60 in Tiergarten  und 75.000 verwalteten Wohnungen sowie rund 1.200 Mitarbeitern wird nach eigenen Angaben in den nächsten elf Jahren 22.000 neue Wohnungen bauen, die zu 80 Prozent zu Mieten von 6,50 bis 10,50 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche vergeben werden sollen.

Wie das Institut für Wirtschaft Köln in seiner diesjährigen Studie ermittelte, fehlen jedes Jahr 11.000 neue Wohnung in der deutschen Hauptstadt. Wenn die degewo AG umgerechnet jedes Jahr 2.000 Wohnungen schafft, kómmt im nächsten Jahrzehnt etwa jede 5. neue Wohnung von der degewo AG.

Doch wie will ein einziges Unternehmen so viele, so bilige und noch dazu lebenswerte Wohnungen (so der Anspruch der degewo AG) bauen?

Die degewo AG geht „neue Wege im Wohnungsbau“, teilte vorige Woche degewo-Pressesprecher Lutz Ackermann mit.

Lösung: Eigenes Planungsbüro.

Den ersten Schritt machte die degewo AG am 21. Mai 2015. An diesem Tag eröffnete die degewo AG als erstes Wohnungsunternehmen in Berlin  ein eigenes Planungsbüro.

„Wir übernehmen künftig große Teile der Planung selbst. Das spart Kosten bei externen Planern und spart Zeit, weil wir die Abläufe beschleunigen“, erklärt die Initiatorin und Leiterin von „bauWerk“, Jacqueline Brüschke. Zentrale Planungsphasen gibt degewo ab sofort nicht mehr aus der Hand. Denn die Wohnungsbaugesellschaft baut und entwickelt nicht für Unbekannte, sondern für die eigenen Kunden. Das Wissen um die einzelnen Quartiere wird genutzt, um bedarfsgerechter zu planen und zu bauen. Mitarbeiter, Baufirmen und auch Anwohner sollen in Zukunft früher in den Neubauprozess eingebunden werden und sich an der Planung beteiligen. Partizipative Planung bringt internes und externes Know-how zusammen.

Das bringt spürbare Einsparungen. „Wir haben in den vergangenen Monaten Lösungsansätze entwickelt, um künftig schneller, flexibler und cleverer zu bauen, sagt degewo-Vorstand Kristina Jahn. Ging die degewo AG noch im Mai davon aus, dass das Unternehmen in den nächsten zehn Jahren 11.000 neue Wohnungen bauen wird, so hat sich diese Zahl mit heutigen Stand in etwa verdoppelt.

Nach alter Methode hätte die degewo AG mit 500 Millionen Euro etwa 2.600 neue Wohnungen bauen können. Schon im Mai 2015 prognostizierte degewo-Vorstand Jahn  für dasselbe Geld mindestens 1.400 neue Wohnungen mehr.

Der zweite Schritte erfolgte am 2. Dezember 2015. An dem Tag stellte degewo-Vorstand Jahn eine weitere Neugründung vor: die „Gemeinschaft degewo“. Sie vereint das unternehmenseigene Planungsbüro „bauWerk“ mit ausgewählten Architekturbüros (werkPlaner) und unabhängigen Experten (bauRat).

„Diese neue Form der Zusammenarbeit bringt gleich mehrere Vorteile mit sich: Kräfte werden gebündelt, Planungszeiten um bis zu fünf Monate je Neubau verkürzt, starre Abläufe durch Teamarbeit und Wissenstransfer ersetzt“, sagte degewo-Vorstand Kristina Jahn. Schnellere Planungsabläufe und neue Grundsätze für intelligentes Planen und Bauen führten zu geringeren Baukosten – und damit auch zu niedrigeren Neubaumieten, so Jahn weiter.

Zu den werkPlanern gehören folgende sieben Architektur-Büros: DAHM Architekten + Ingenieure (Berlin), BG Bollinger + Fehlig / Bernrieder.Sieweke Lagemann (Berlin), BG tafkaoo architects / IttenBrechbühl (Wien, Berlin, Basel), BG PPAG / FCP (Wien), S & P (Potsdam), thoma architekten (Berlin) und Baufrösche Architekten und Stadtplaner (Berlin).

Die sieben Büros und „bauWerk“ planen aktuell den Neubau von insgesamt 1.400 Wohnungen in sieben Projekten, die bis 2018 entstehen sollen. Erste Entwürfe liegen bereits vor. Geplant sind unter anderen 300 Wohnungen in der Joachim-Ringelnatz-Straße und 200 Wohnungen in der Ludwig-Renn-Straße in Marzahn, 170 Wohnungen an der Schönefelder Chaussee in Altglienicke sowie 196 Wohnungen an der Luisenstraße/Wendenschloßstraße in Köpenick.

Zum bauRat gehören: Dr. Marie-Therese Krings-Heckemeier (Vorstandsvorsitzende der empirica ag), Prof. Manfred Hegger (Architekt und Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen), Hans-Dieter Hegner (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit) und Prof. Christa Reicher (Leiterin Fachgebiet Städtebau an der TU Dortmund).

Lösung: Einheitliche Planungsparameter für Fassaden, Grundrisse, Deckenhöhen, Treppenflure und Fenster nach dem Vorbild der Platte. 

Das Unternehmen hat für Flächen, Volumen und Fassaden Planungsparameter entwickelt. Damit lassen sich die Planungsleistungen überprüfen und messbar optimieren. „Unser Ziel ist es, optimale Grundrisse für unsere Kunden zu entwickeln. Funktion statt Fläche und ein Mehrwert für das Quartier, stehen im Fokus unserer Planung“, sagt Jacqueline Brüschke, die Initiatorin und Leiterin von „bauWerk“ . So können künftig bis zu sechs, statt bisher drei Wohnungen pro Etage erschlossen werden.

Überlegt wird, ob alle Neubauten die selbe Deckenhöhe haben können, damit die Treppenhäuser einheitlich und damit kostengünstiger gebaut werden können. Auch alle Fenster und Balkone könnten einheitliche Maße haben.

Lösung: Abstellräume auf dem Dach statt Keller.

„Die Keller sind die teuersten Stockwerke eines Neubaus. Die Kosten-Nutzen-Rechnung geht nicht auf, denn eigentlich wird dort nur Gerümpel gelagert“, so Vorstand Jahn gegenüber der B.Z.  Wo es geht, werden Keller zukünftig eingespart. Alternativen? Jahn: „Abstellräume auf den Dächern oder ganz praktisch in der eigenen Wohnung.“

Lösung: Parkplätze statt Tiefgaragen.

Außerdem müssen Neubauten bei degewo keine teuren Tiefgaragen haben, preiswertere Varianten für wohnungsnahe Parkplätze sind möglich. Alle Flächen werden besser, effektiver, cleverer genutzt, so das Unternehmen.

Beweis: Tischenreuther Ring 8 in Marienfelde.

Beweis für Machbarkeit der degewo-Einsparungen: der noch in diesem Jahr begonnene Bau des Wohnblocks Tischenreuther Ring 8 in Marienfelde. (Planungsfoto: degewo AG)
Beweis für Machbarkeit der degewo-Einsparungen: der noch in diesem Jahr beginnende Bau des Wohnblocks Tischenreuther Ring 8 in Marienfelde. (Planungsfoto: degewo AG)

Mit einem Neubauprojekt  Mariengrün am Tischenreuther Ring 8 in Marienfelde erbringt das Unternehmen nun den Beweis, dass dies möglich ist. Ab Ende des Jahres entstehen dort 82 neue Mietwohnungen zu Baukosten von 1.408 Euro /m² brutto auf eigenem Grundstück. Üblich sind in der Branche Kosten von rund 1.600 – 1.700 Euro/m². Dies ist das Ergebnis der Planungen des unternehmenseigenen Planungsbüros „bauWerk“.

Bei weiteren sechs Vorhaben sind die Planungen ebenfalls schon weit vorangeschritten. „Der Neubauentwurf Tirschenreuther Ring 8 unseres eigenen Planungsbüros beweist, dass unsere Strategie aufgeht und wir die Baukosten zugunsten bezahlbarer Mieten noch weiter optimieren können“, freut sich degewo-Vorstand Kristina Jahn. Die Mieten in dem Neubau am Tirschenreuther Ring werden bei durchschnittlich 7,60 Euro /m² nettokalt liegen. Das ist weit unterhalb des üblichen Neubau-Mietniveaus von rund 10 Euro/m².

Nach dem neuen Prinzip entwickelt das Planungsbüro „bauWerk“ aktuell bereits 14 Neubauprojekte mit insgesamt 940 Wohnungen. Hier einige Beispiele:

  • Tischenreuther Ring 8 in Marienfelde (Projekt Mariengrün):
    Hier entstehen ab Ende dieses Jahres 82 Wohnungen, davon über die Hälfte ein bis zwei Zimmer groß. Da aber auch die Nachfrage von jungen Familien steigt, werden 22 Drei-Zimmer-Wohnungen gebaut sowie 15 Wohnungen mit vier und mehr Zimmern.
  • Agnes-Straub-Weg 22, südliche Gropiusstadt:
    57 Wohnungen, Baubeginn: Anfang 2016. Die Grundrisse sind zum großen Teil auf Singles und Senioren abgestimmt.
  • Fritz-Erler-Allee/Käthe-Dorsch-Ring, südliche Gropiusstadt:
    102 Wohnungen, Baubeginn: Frühjahr 2016
  • Walter-Franck-Zeile, südliche Gropiusstadt:
    60 Wohnungen, Baubeginn: Sommer 2016
  • Usedomer Straße/Ecke Wattstraße, Gesundbrunnen:
    120 Wohnungen, Baubeginn: Sommer 2016
  • Regattastraße, Köpenick:
    24 Wohnungen, Baubeginn: Sommer 2016
  • Marchwitzastraße, Marzahn:
    126 Wohnungen, Baubeginn: Herbst 2016

Insgesamt befinden sich bei degewo aktuell 42 Projekte mit über 4.000 Wohnungen in Bau, Planung oder Vorbereitung. Die regionalen Schwerpunkte der Neubauaktivitäten liegen derzeit in Köpenick und der Neuköllner Gropiusstadt.

Vorbild des degewo-Neubauprogramms ist übrigens nicht der DDR-Wohnungsbau. Die degewo AG Berlins hat sich mit Experten aus der österreichischen Metropole Wien beraten. Dort wird bereits seit langem erheblich günstiger, schneller und bedarfsorientierter gebaut als in der deutschen Hauptstadt, findet die degewo AG und eifert den Wienern nun nach.

Kritik kommt von der Berliner Architektenkammer.

Die Architektenkammer Berlin hält davon nicht viel. „Wenn nun im großen Stil wieder Wohngebäude von der Stange gebaut werden sollen, besteht die Gefahr, dass dysfunktionale Wohnquartiere mit Leerstand und sozialen Problemen entstehen“, warnt die Vertretung der Architekten.

„Kleine Fenster und Abstellräume in den attraktivsten Flächen unter dem Dach mögen kurzfristig zu Einsparungen führen; ob es die intelligenten Lösungen von morgen sind, darf bezweifelt werden“, so Kammerpräsidentin Christine Edmaier gegenüber der Berliner Zeitung. Zwar sei es zu begrüßen, wenn die Degewo eine Bauabteilung mit kompetenten Ansprechpartnern aufbaue. Aber für die Planung selbst führe „die Konkurrenz der freien Büros um den besten Entwurf zu mehr Innovation, Qualität und Wirtschaftlichkeit.“

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