Deutscher Wissenschaftler in Türkei verfolgt und im Stich gelassen

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Darf die Türkei nicht verlassen: der deutsche Politikwissenschaftler Dr. Sharo Garip. "Ich stehe als Akademiker weder auf der Seite der PKK noch auf der Seite des Staates." Doch die Unterschrift unter einem Friedensappell zur Beendigung der Gewalt im Kurdenkonflikt wurde ihm zum Verhängnis. Er wurde verhaftet, kam frei und muss auf seinen Prozess warten. Das deutsche Konsulat scheint machtlos (Foto: Youtube/MONITOR)
Darf die Türkei nicht verlassen: der deutsche Politikwissenschaftler Dr. Sharo Garip. „Ich stehe als Akademiker weder auf der Seite der PKK noch auf der Seite des Staates.“ Doch die Unterschrift unter einen Friedensappell zur Beendigung der Gewalt im Kurdenkonflikt wurde ihm zum Verhängnis. Er wurde verhaftet, kam frei und muss auf seinen Prozess warten. Das deutsche Konsulat scheint machtlos (Foto: Youtube/MONITOR)

Die Unterschrift unter einen Friedensappell wurde ihm zum Verhängnis. Ein deutscher Wissenschaftler wird in Istanbul als Terrorist verfolgt, nur weil er sich für Frieden im Kurdenkonflikt eingesetzt hat. Und er fühlt sich von der deutschen Bundesregierung bitter im Stich gelassen. Naima El Mousssaoui vom WDR-Magazin MONITOR machte gestern seinen Fall nun öffentlich. „Mir macht Angst, wegen einer Meinungsäußerung ins Gefängnis gesteckt zu werden. Ich habe Angst vor einer Razzia in der Nacht. Ich fühle mich in einem offenen Gefängnis“, sagte Dr. Sharo Garip. Er ist gefangen, mitten in der Metropole Istanbul. Er ist deutscher Staatsbürger und möchte zurück nach Deutschland.

Aber seit 8 Monaten verweigert ihm die Türkei die Ausreise. Der Grund: Im Januar 2016 unterzeichnete der Politikwissenschaftler einen Aufruf für den Frieden. Einen Appell für ein Ende der Gewalt im Kurdenkonflikt. Mehr nicht. „Wenn in einer Gesellschaft Krieg herrscht, kann man nicht zuschauen. Ich will auch nicht zuschauen. Ich will wenigstens sagen, dass andere Lösungen möglich sind. Ich stehe als Akademiker weder auf der Seite der PKK noch auf der Seite des Staates.“ Doch die Unterschrift wurde ihm zum Verhängnis. Er kam in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Terrorpropaganda für die PKK. Sein Anwalt holte ihn raus, aber seitdem darf er die Türkei nicht mehr verlassen. Jetzt wartet er auf seinen Prozess.

Es droht ihm eine jahrelange Haftstrafe.

Hinzu kommen Existenzängste. Wegen der Anschuldigungen verlor er seinen Job an einer türkischen Universität. Jetzt schlägt er sich mit Privatunterricht durch, überlebt nur Dank der Hilfe von Freunden. Aber viele hat er nicht mehr. Die meisten wollen nichts mehr mit ihm zu tun haben. „Die Leute haben einfach Angst, dass sie auch ihren Job verlieren. Oder verfolgt werden, wenn sie mit mir Kontakt haben. Und das ist einfach für sie riskant.“

In seiner Verzweiflung wandte sich Garip nach seiner Verhaftung an die deutsche Botschaft. Die riet ihm, still zu sein. Keine Presse. Keine Öffentlichkeit. Man werde sich kümmern. Auf leisem Weg. Garip vertraute und schwieg. Nach 6 Monaten dann die erlösende Mail der Botschaft: „Mit Verbalnote vom 29. Juli 2016 teilt das türkische Außenministerium mit, dass gegen Sie KEINE Ausreisesperre besteht.“ Was nach diplomatischen Erfolg klingt, ist jedoch eine gefährliche Falschinformation. Die Ausreisesperre besteht fort. Hätte sich Dr. Garip auf die deutsche Botschaft verlassen, wäre er bei der Ausreise verhaftet worden. „Da hätte man mich noch einmal verhaftet, gegen mich eine Klage erhoben, vielleich müsste ich auch ins Gefängnis für zwei, drei, vier Monate.“ Dr. Garip wandte sich erneut an den deutschen Botschafter. Doch der habe ihm nur gesagt, er könne nichts mehr für ihn tun. Er müsse weiter den Rechtsweg in der Türkei beschreiten. Einen Rechtsweg, den es für Dr. Garip in einem offensichtlichen Unrechtsstaat nicht gibt.

Dr. Garip bleibt in der Türkei ein Ausgestoßener. Wie viele andere Wissenschaftler.

Wie Psychologieprofessorin Esra Mungan zum Beispiel. 40 Tage war sie inhaftiert. Wegen der Unterschrift unter den Friedensappell. Sie ist in Deutschland aufgewachsen. „Sobald Sie entlassen sind von der Uni, können Sie an keiner anderen Uni eine Anstellung bekommen, weil wir jetzt auf der Schwarzen Liste sind. Alle von uns. Es ist eine sehr, sehr, sehr gefährliche Atmosphäre. Man fühlt sich total erpresst. Unterdrückt. Und atemlos.“ Unter den Akademikern herrscht ein Klima der Angst und der Perspektivlosigkeit. Helfen könnte internationale Kritik. Druck auf die türkische Regierung. Konsularische Hilfe. Aber die ist nicht in Sicht. „All diese Diplomatie, das Schweigen löst bei mir ein Gefühl aus, als ob ich der deutschen Regierung egal wäre. Sie interessieren sich nicht für mich. Das Auswärtige Amt teilte auf MONITOR-Anfrage lediglich mit: Man sei an dem Fall dran und setze sich auch weiter für den Betroffenen ein. Dr. Sharo Garip will sich darauf nicht mehr verlassen. Er hat sich entschlossen, seine Geschichte öffentlich zu machen. Für sich, aber auch für die anderen verfolgten Wissenschaftler in der Türkei.

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