Elbtower Hamburg – Sinnbild gescheiterter Großprojekte

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Elbtower Hamburg – Zwischen Vision und Verfall – Der Elbtower sollte das neue architektonische Wahrzeichen der Hansestadt werden. 245 Meter hoch, entworfen vom renommierten Architekturbüro David Chipperfield Architects, als östlicher Abschluss der HafenCity geplant – ein Symbol für Zukunft, Fortschritt und urbanen Glanz. Heute steht die Betonruine mit 100 Metern wie ein mahnendes Denkmal des Scheiterns im Hamburger Stadtbild.

Von der Skyline in den Stillstand

Seit Oktober 2023 sind die Bauarbeiten auf der Baustelle eingestellt. Der Grund: Die Signa Prime Selection AG, das Immobilienvehikel des österreichischen Unternehmers René Benko, konnte ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Bis zum Baustopp wurden rund 400 Millionen Euro in das Projekt investiert – ein Milliardengrab in Warteschleife.

Hamburgs größtes Immobilienprojekt ist zum Politikum geworden. Und zum Problem. Denn derzeit ist unklar, ob der Turm jemals vollendet wird – oder ob er am Ende doch abgerissen werden muss.

Neue Akteure, alte Fragen

Inzwischen prüft der Hamburger Immobilienunternehmer Dieter Becken den Weiterbau. Eine Exklusivitätsvereinbarung zwischen ihm und der Stadt läuft noch bis Ende April 2025. Bis dahin soll eine Entscheidung fallen, ob und wie es weitergeht. Im Raum steht unter anderem die Idee, das neue Naturkundemuseum „Evolutioneum“ in den unteren Stockwerken unterzubringen. Das Museum könnte über 33.000 Quadratmeter belegen und dem Turm einen gemeinwohlorientierten Anker geben.

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher hat sich offen für diese Option gezeigt – allerdings unter der klaren Maßgabe, dass die Stadt keine finanziellen Risiken übernehmen will. Denn die Elbtower-Pleite hat politisches Gewicht, vor allem im Vorfeld der Bürgerschaftswahl im März 2025.

Kühne Zweifel am Projekt

Der Hamburger Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne, der als potenzieller Investor gehandelt wurde, äußerte sich zuletzt skeptisch. Die Finanzierungslage sei prekär, der Markt für Büroflächen übersättigt. Kühne warnte offen davor, dass der Elbtower womöglich „eine Ruine bleiben“ und in wenigen Jahren abgerissen werden müsse – ein Szenario, das auch in der Stadtentwicklungsbehörde diskutiert wird.

Zwischen Abriss, Neubau und Zwischennutzung

Noch ist nichts entschieden, doch die Optionen liegen auf dem Tisch – und sie reichen weit über die ursprüngliche Idee eines Bürohochhauses hinaus:

  • Naturkundemuseum „Evolutioneum“: Die Vision eines öffentlichen Museums im Sockelbereich des Turms könnte dem Projekt eine neue Legitimation verschaffen. Wissenschaftliche Institutionen und die Kulturbehörde unterstützen den Vorschlag.
  • Gemeinwohlorientierte Nutzung: Studierende der HafenCity Universität präsentierten 2024 Konzepte für kulturelle und soziale Nutzung – darunter Ateliers, Sporträume, Clubs und begrünte Promenaden.
  • Hybride Mischnutzung: Eine Mischung aus Büro, Gastronomie, Hotel, Wohnraum und öffentlicher Nutzung könnte die ökonomische Tragfähigkeit erhöhen, erfordert jedoch neue baurechtliche Genehmigungen.
  • Zwischennutzung als „Materialregal“: Ein unkonventioneller Vorschlag sieht vor, die bestehende Struktur temporär mit modularen, rückbaubaren Elementen zu bespielen – flexibel, ressourcenschonend, kreativ.
  • Nachhaltiger Rückbau: Im Extremfall könnte der Elbtower auf ein niedrigeres, umweltfreundlicheres Konzept reduziert oder sogar ganz zurückgebaut werden. Erste Machbarkeitsstudien dazu kursieren bereits.

Der Druck steigt

Die Stadt Hamburg hat eine klare Frist gesetzt: Bis Ende April 2025 muss Klarheit herrschen. Kommt es nicht zu einer Neubelebung des Projekts, fällt das Grundstück an die Stadt zurück. Doch ein Weiterbau wäre frühestens ab Herbst 2025 realistisch, die Fertigstellung würde sich bis etwa 2030 ziehen.

Ein verkürzter Elbtower – beispielsweise in seiner jetzigen Höhe von 100 Metern – gilt als ökonomisch sinnlos. Die lukrativen Mietflächen in den oberen Stockwerken fehlen, Investoren winken ab. Es braucht also entweder ein radikales Umdenken – oder einen radikalen Neustart.

Ein Mahnmal für Fehlplanung?

Der Elbtower könnte das werden, was der Berliner Flughafen BER beinahe geworden wäre: ein Symbol gescheiterter Großprojekte, ein Lehrstück über Abhängigkeit von Einzelinvestoren, mangelnde Kontrolle und blindes Vertrauen in Renditeversprechen.

Doch noch ist nicht alles verloren. Der Turm hat eine Struktur, eine Vision – und mit etwas Mut vielleicht doch noch eine Zukunft. Ob als Museum, Kulturort oder neuer Stadtteilmittelpunkt: Der Elbtower steht an einem Scheideweg.

Fazit:
Der Elbtower ist mehr als eine Bauruine – er ist eine Projektionsfläche für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Debatten. Über Stadtentwicklung, Investorenmacht, Gemeinwohl und kulturelle Teilhabe. Die nächsten Wochen entscheiden, ob aus einem gescheiterten Prestigeprojekt doch noch ein Stück Hamburger Identität erwachsen kann – oder ob der Turm bald als teuerster Abriss der Stadtgeschichte endet.

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