Murad Atajev (30) – der Imam (religiös-politisches Oberhaupt) der Moschee Hicret Camii (Auswanderungsmoschee des Propheten Mohammed, der im Jahr 622 von Mekka nach Medina auswanderte) aus der Perleberger Straße in Berlin Moabit – sitzt seit vorgestern unter Terror-Verdacht in Untersuchungshaft im selben Stadtbezirk.
Am 14. Oktober 2015 haben Ermittler des Landeskriminalamtes auf Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin den 30jährigen russischen Staatsangehörigen dagestanischer Herkunft Gadzhimurad K. alias Murad Atajev aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Kammergerichts verhaftet.
Der Beschuldigte ist in der Vergangenheit als Imam in der Moschee des Fussilet 33 e.V. in der Perleberger Straße in Moabit aufgetreten und hatte zuletzt durch Äußerungen in einem Interview zum „Islamischen Staat“, das er unter seiner Alias-Personalie Murad Atajev dem russischen Online-Magazin Meduza.io im Mai 2015 gegeben hatte, für Aufsehen gesorgt.
Der Moscheeverein ist offiziell eingetragen als Fussilet-33 Jugend- und Familienberatungs- und Bildungszentrum e.V. mit Sitz in der Reinickendorfer Straße 30 in Berlin Gesundbrunnen.
Der Moschee-Imam Murad Atajev ist dringend verdächtig, im Internet für die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) um Mitglieder und Unterstützer geworben zu haben.
Es wird außerdem wegen des Verdachts ermittelt, für islamistische Gruppierungen in Syrien hochwertiges Waffenzubehör wie Nachtsichtgeräte und Zielfernrohre beschafft zu haben.
Bei dem Beschuldigten handelt es sich um eine enge Kontaktperson des im Januar 2015 festgenommenen Präsidenten des genannten Moscheevereins, Ismet D. (41), und dessen „Weisenratspräsidenten“, Emin F. (43).
Der als „Emir von Wedding“ bekannt gewordene Salafist Ismet D. und sein mutmaßlicher Komplize Emin F. sitzen mit Unterbrechungen seit Anfang des Jahres unter Terror-Verdacht in Untersuchungshaft. Über ihren Moscheeverein „Fussilet 33 e. V.“ sollen sie Kämpfer für die radikal-islamische Gruppe „Junud Al-Sham“ angeworben und einen für einen Sprengstoffanschlag umgebauten Lastwagen nach Syrien geschmuggelt haben. Ismet D. soll junge Männer in einem Gebetszirkel auf den islamistischen Kampf in Syrien eingeschworen haben. Nach dessen Verhaftung soll Murad Atajev in dessen Fußstapfen getreten sein.
Atajev soll hauptsächlich auf verschiedenen Plattformen im Internet für die Terroristen des IS aktiv gewesen sein. Auf Facebook, Youtube und auf dschihadistischen Seiten soll er sich für die Ziele der Islamisten eingesetzt haben. „Er veröffentlichte unter anderem Kampflieder im Internet“, sagte Oberstaatsanwalt Martin Steltner, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, dem Tagesspiegel.
Dem Justizsprecher zufolge war Atajev im Jahr 2002 illegal nach Deutschland eingereist und hatte Asyl beantragt. 2003 wurde sein Antrag abgelehnt. Atjev konnte aber nicht in seine Heimat abgeschoben werden, da ihm dort Verfolgung drohte. „Anschließend ist Atajev abgetaucht und erst 2006 wieder in der salafistischen Szene in Erscheinung getreten“, sagte Steltner.
Atajev engagierte sich in dem Moscheeverein in der Perleberger Straße.
Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte bei der Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichts vor der „stetig wachsenden Zahl der Salafisten“ gewarnt. Allein in Berlin sei die Zahl von 350 im Jahr 2011 auf mehr als 650 im vergangenen Jahr gestiegen. Die Zahl der gewaltorientierten Salafisten habe sich von 100 auf 340 sogar überproportional erhöht.
Der Berliner Verfassungsschutz hat Erkenntnisse, dass Moscheevereine, Hilfsorganisationen und auch Einzelpersonen aus dem islamistischen Spektrum den Kontakt zu Flüchtlingen suchen. In Berlin seien „mehrere Fälle festgestellt worden, in denen Personen aus der salafistischen Szene im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften auftreten und Werbung für ihre extremistische Interpretation des Islam machen“, heißt es in einer Mitteilung der Behörde.
Die Ermittlungen im Umfeld von „Fussilet 33 e.V.“ dauern an.
Tom Schreiber, verfassungspolitischer Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, forderte eine gründliche Prüfung, ob der Moscheeverein verboten werden könne. Dazu hielt sich die Senatsinnenverwaltung gestern noch bedeckt.
Berlin schafft Landeskoordinierungsstelle Radikalisierungsprävention mit 4,5 Planstellen.
Bernd Krömer vom Berliner Senat für Inneres und Sport hatte am 23. Juni 2015 auf die Anfrage des Abgeordneten und Sicherheitsexperten Tom Schreiber zu einem anstehenden Landesprogramm zur Prävention im Bereich des Islamismus mitgeteilt:
„Der Senator für Inneres und Sport hat für die Einrichtung einer Landeskoordinierungsstelle Radikalisierungsprävention bei der Landeskommission Berlin gegen Gewalt insgesamt 4,5 Stellen und Sachmittel in Höhe von 760.000 EUR (2016) beziehungsweise 860.000 EUR (2017) angemeldet.“
Das Landesprogramm gegen Salafismus soll nun im Einzelplan 05 (Inneres) des Landes Berlin enthalten sein. Am 14. Oktober 2015 fand darüber eine zweite Lesung und ein Beschluss im Verfassungsschutzausschuss des Senats statt.
Sicherheitspolitiker Schreiber hat vom rot-schwarzen Senat deutlich mehr Geld für den Kampf gegen gewaltbereite Islamisten und Rückkehrer aus dem Krieg in Syrien gefordert. Die zuletzt von Innensenator Frank Henkel (CDU) angekündigten rund 100.000 Euro pro Jahr für Prävention und eine sogenannte De-Radikalisierung reichten bei Weitem nicht aus, sagte Schreiber am 6. April 2015 in der Berliner Morgenpost. Nötig sei ein eigenständiges und mit mehr Geld ausgestattetes Landesprogramm nach dem Vorbild des Engagements gegen Rechtsextremisten. Für dieses Programm „Gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus“ zahle Berlin jährlich 2,5 Millionen Euro.
„Ich finde es problematisch, wenn immer nur von einer abstrakten Terrorgefahr gesprochen wird“, so Schreiber. „Zum Teil sind die Rückkehrer tickende Zeitbomben.“ Es bestehe die Gefahr, dass tatsächlich etwas passiert. „Deshalb ist es nicht fünf Minuten vor Zwölf, sondern fünf nach Zwölf.“ Auch der CDU-Abgeordnete Stephan Lenz hatte zuletzt gesagt: „Wir sind in der Erwartungshaltung eines Anschlags.“
Dem Berlin Journal teilte Tom Schreiber gestern mit:
„Bisher haben wir die abstrakte Terrorgefahr nur mit dem repressiven Blick betrachtet. Seit mindestens 2014 wissen wir aber, dass etwa ein Drittel der Ausreisenden wieder zurück nach Berlin kommen. Das bedeutet im Kern, dass die Personen traumatisiert, radikalisiert oder entsetzt über die Aktivitäten des ‚IS‘ sind. Wir brauchen auch deshalb ein Netzwerk der Prävention, weil hier ganz eindeutig frühzeitig angesetzt und mit den Menschen gearbeitet werden muss. Am 15. April 2015 haben wir im Verfassungsschutzausschuss eine Anhörung zu einem Landespräventionsprogramm durchgeführt.
Im Land Berlin haben wir das große Glück, dass die vier Träger, welche im Ausschuss angehört wurden, allesamt in Berlin ihren Sitz haben und bundesweit aktiv sind. Es ist also an der Zeit, diesen Missstand zu beenden und die guten Strukturen besser zu nutzen. Die Anhörung hat auch dazu beigetragen, dass fraktionsübergreifend klar wurde, dass wir Handeln müssen, dass wir Kriminalität und Terrorismus nicht zulassen dürfen, unseren Rechtsstaat auch vor IS-Rückkehrern schützen müssen und unbedingt verhindern sollten, dass sich mehr und mehr Menschen dieser menschenverachtenden Ideologie anschließen.
Im Juni habe ich hierzu eine schriftliche Anfrage an die Innenverwaltung gestellt. In der Antwort teilt der Senat unter anderem die Einführung eines ressortübergreifenden Landesprogrammes mit.“