KMU: „TTIP für Maschinenbau-Unternehmen eine Mogelpackung“

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Mehr als 90.000 Menschen demonstrierten am Samstag in Hannover gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen, das gerade zwischen der EU und den USA ausgehandelt wird (Foto: Youtube/Die Linke Oldenburg)
Mehr als 90.000 Menschen demonstrierten am Samstag in Hannover gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen, das gerade zwischen der EU und den USA ausgehandelt wird (Foto: Youtube/Die Linke Oldenburg)

Nachdem bereits am 10. Oktober 2015 rund 50.000 Menschen gegen ein von Angela Merkel gewolltes Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, TTIP, durch das Berliner Regierungsviertel zogen, wie Berlin Journal berichtete, demonstrierten am vergangenen Samstag mehr als 90.000 Menschen einen Tag vor dem Obama-Besuch auf der Hannover-Messe in der niedersächsischen Landeshauptstadt für ein faires Handelsabkommen.

TTIP könnte sich insbesondere für Unternehmen aus dem Maschinenbau und der Elektronikindustrie als Mogelpackung herausstellen. Darauf weist die Wirtschaftsinitiative „KMU gegen TTIP – Kleine und Mittlere Unternehmen gegen das Transatlantische Handelsabkommen“ hin, die sich an der Demo beteiligte.

Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) droht das erfolgreiche europäische und internationale Normierungssystem zu untergraben. Amerikanische Unternehmen bekommen einen einfachen Zugang zum europäischen Markt, während europäische Unternehmen weiterhin regionale Besonderheiten und Zulassungsanforderungen im amerikanischen Markt berücksichtigen müssen.

Die Wirtschaftsinitiative „KMU gegen TTIP“ wurde im Herbst 2015 von fünf Unternehmen aus unterschiedlichen Bundesländern gegründet. Die Arbeitsgemeinschaft möchte zu einer differenzierten Diskussion um TTIP beitragen und kritischen Stimmen aus den Reihen der Wirtschaft eine Stimme geben. Aktuell haben über 2.400 Unternehmerinnen und Unternehmer den Aufruf unterschrieben.

„TTIP wird die Erwartungen seiner Befürworter nicht erfüllen können“, warnt Martina Römmelt-Fella, Mitinitiatorin der Wirtschaftsinitiative KMU gegen TTIP und Geschäftsführerin der Fella Maschinenbau GmbH aus Amorbach in Bayern.

Der Familienbetrieb beschäftigt 58 Mitarbeiter und hat einen Jahresumsatz von 7 bis 8 Millionen Euro. Martina Römmelt-Fella: „Wir beschäftigen uns in erster Linie mit Lohnfertigung für industrielle Kunden. Und darüber hinaus haben wir in den letzten 20 Jahren ein eigenes Produkt entwickelt. Das ist eine kleine Wasserkraftturbine, die mittlerweile weltweit im Einsatz ist.“

Ihre Befürchtung: „Die besonderen Risiken sehe ich bei TTIP durch die umfassende Einbeziehung aller Belange, die für uns momentan nicht greifbar sind. Gerade hier ist eben bei einer Marktöffnung zu berücksichtigen, wie können sich kleine und mittelständische Unternehmen hier positionieren. Die haben eben nicht die Möglichkeiten, sich international zu positionieren. Und haben nicht die Mittel, diese Wege zu gehen, welche großen global agierenden Konzernen vorbehalten sind. Bei einer Umsetzung von TTIP würde ich jetzt auf Anhieb keine Erleichtungen sehen.

Nehmen Sie zum Beispiel die Zertifizierung nach UL-Standard. Das ist der übliche Standard in den USA. Der wird nicht durch TTIP berührt. Das heißt, der bleibt nach wie vor bestehen.“

Ein faires Freihandeslabkommen müsste laut KMU-Initiative überall gleiche Produktanforderungen beinhalten

Unternehmen aus dem Maschinenbau und der Elektronikindustrie erhoffen sich von einem fairen Handelsabkommen vor allem eine Angleichung bei den Produktanforderungen dies- und jenseits des Atlantiks.

Neutralleiter-Kabel: In EU blau – in USA weiß

Als Beispiel führt der konservative Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) aus Frankfurt am Main etwa an, dass Neutralleiter-Kabel in der EU blau gefärbt sein müssen, in den USA aber weiß. Solche unterschiedlichen Standards sind für Hersteller mit erheblichen Mehraufwand in der Produktion verbunden. „Die Beispiele, die der VDMA immer wieder nennt, führen in die Irre. Denn bei ihnen geht es um technische Spezifikationen. Die werden nicht in Gesetzen, sondern in nachgelagerten Verordnungen geregelt“, erklärt Römmelt-Fella. „TTIP ist dafür das falsche Instrument!“

Ein weiteres Problem:

Die USA sind ein höchst fragmentierter Rechtsraum

Es ist nicht sicher, dass die US-Bundesstaaten an die Vereinbarungen von TTIP gebunden sind. „Die Systeme zur Konformitätsbewertung und Produktzertifizierung unterscheiden sich in EU und USA grundlegend“, erklärt Guido Körber, Unternehmer aus Brandenburg und Unterzeichner der Initiative. „Die größte Gefahr ist es nun, dass unter dem politischen Druck eine fachlich nicht ausgereifte Vereinbarung zustande kommt. Damit würden das sehr gute europäische System zur Produktzertifizierung und Konformitätsbewertung nachhaltig beschädigt. Leidtragend wäre vor allem der europäische Mittelstand.“

Guido Körber, Geschäftsführer der Code Mercenaries GmbH: „Wir sind hier in Schönefeld in Brandenburg. Wir haben acht Mitarbeiter. Wir entwickeln und fertigen für Industrieelektronik und LED-Beleuchtung. Wir exportieren in die gesamte EU und die USA.“

Brandschutz: Eine Norm in Europa – viele Normen in den USA

Körbers Befürchtung: „Durch TTIP sehe ich keine positiven Aspekte für unsere Branche, eher Gefahren. Insbesondere im Bereich der Standards. Wir haben in Europa ein Standardsystem, das an den internationalen ISO-IEC-Standardsystem angedockt ist, so dass wir mit sehr vielen anderen Staaten einheitliche Standards teilen. Die USA stehen dabei eher vor der Türe, weil die sehr häufig ihre eigenen nationalen Standards verwenden. Wenn wir diese anerkennen als gleichwertig zu unseren Standards, sehe ich da sehr große Gefahren, dass für uns einerseits mehr Bürokratie entsteht, andererseits unsere Standards verwässert werden.

Der größte Bereich wäre die elektrische und feuertechnische Sicherheit von elektrischen und elektronischen Geräten und Komponenten. Das ist ein Bereich, den die US-Regierung komplett nicht unter Kontrolle hat, weil das von der Versicherungsbranche in den USA kontrolliert wird, die 17 Labors akkreditiert haben, die die Zertifizierung durchführen. Diese Labors agieren als gewinnorientierte Unternehmen. Wenn man da dann den Bereich der öffentlichen Beschaffung betrachtet, wenn auf lokaler Ebene Geräte angeschafft werden, dann ist der lokale Feuerwehr dafür zuständig zu entscheiden, welche Geräte in Ordnung sind und welche nicht akzeptiert werden. Gerade KMUs sollten sich damit auseinandersetzen, ob die Versprechen von TTIP realisierbar sind. Dann das, was von TTIP momentan versprochen wird, mit der Angleichung oder Harmonisierung von Standards; mit der Öffnung der Ausschreibung; das sind Dinge, die in ganz, ganz vielen Fällen überhaupt nicht umsetzbar sind, ohne dass die USA ihre Verfassung ändern.“

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2 KOMMENTARE

  1. Dann kaufen wir Europäer einfach keine Waren von denen! Diese können es uns gleich tun denn es ist eh kein Markt für uns! Das Interesse in dieser Angelegenheit ist doch sehr einseitig!

  2. Das unsere Regierung es einfach nicht wahrhaben will,TTIP schadet unserer Wirtschaft.Wir haben Normen und Standarts erreicht und festgelegt die Europaweit akzeptiert werden.Mit Einbringung amerikanischer Standarts wird es wieder ein heilloses Durcheinander geben.

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