Kritik an Geisel: Neungeschosser am Leipziger Platz ohne Wohnungen

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Die F100 Investment A.G. darf am Leipziger Platz 18-19 ein neungeschossiges Haus ohne die im Berliner Bebauungsplan vorgeschriebenen 20 Prozent Wohnungen bauen. Dank einer Ausnahmegenehmigung von Bausenator Andreas Geisel, SPD (Simulation: Gewinnerentwurf des Architektenwettbewerbs von leonwohlhae, Berlin)
Die F100 Investment A.G. aus Luxemburg, die von Exbausenator Peter Strieder (SPD) beraten wird, darf am Leipziger Platz 18-19 ein neungeschossiges Haus ohne die im Berliner Bebauungsplan vorgeschriebenen 20 Prozent Wohnungen bauen. Dank einer Ausnahmegenehmigung von Bausenator Andreas Geisel, SPD (Simulation: Gewinnerentwurf des Architektenwettbewerbs von leonwohlhage, Berlin)

Berlins Bausenator Andreas Geisel (SPD) ist wegen einer Sondergenehmigung in die Kritik geraten. Zur Schließung einer Baulücke am Leipziger Platz 18-19 in Berlin-Mitte machte Geisel eine Ausnahme und genehmigte dem Investor, der F100 Investment A.G. aus Luxemburg, die es von der DER (Deutsches Reisebüro) im April 2011 erworben hat, nun in Mitte ein  neungeschossiges Hochhaus ohne die in Berlin vorgeschriebenen Wohnungen mit einem Anteil von 20 Prozent bauen zu dürfen. Damit stellte sich Geisel gegen die Forderungen des Bezirks. Interne Akten sollen nun zeigen, dass er dabei sogar gegen Bedenken seiner eigenen Partei gehandelt haben soll, berichtete die rbb Abendschau.

Der Koalitionspartner kritisierte ihn dafür und unterstellte die Gefahr einer „Planungsanpassung nach SPD-Parteibuch“, so jedenfalls formulierte der bau- und wohnungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Berlin, Mathias Brauner, seine Kritik an der kurzfristigen Änderung des Bebauungsplans. Diese bleibe ein „höchst erklärungsbedürftiger Vorgang. Nicht ausgeräumt werden konnte, dass die Planänderung auf Zuruf durch die Bauverwaltung ermöglicht wurde“, sagte Brauner.

SPD-Parteibuch deshalb, weil der Investor F100 Investment A.G. vom früheren Bausenator Peter Strieder (SPD) beraten wurde. Schon wird in der Stadt wild über „Berliner Filz und Vetternwirtschaft“ spekuliert, schrieb der Tagesspiegel. Ein Sprecher der Bauverwaltung wies das zurück. Es sei „rechtlich möglich, eine Befreiung vom geltenden Bebauungsplan zu beantragen“. Reiner Zufall, dass ausgerechnet der frühere Bausenator Peter Strieder, der sich heute in den Dienst von Baufirmen stellt, den Weg zur Befreiung von der lästigen Pflicht wies?

Geisel weist das zurück. Seine Fachleute hätten den Verzicht auf Wohnungen für vertretbar gehalten.

Noch ist der Leipziger Platz 18 als Tor zum Potsdamer Platz in Berlin ein Potemkinsches Dorf, nur Simulationsplakate statt Realität. (Foto: Google Street View)
Noch ist der Leipziger Platz 18 als Tor zum Potsdamer Platz in Berlin ein Potemkinsches Dorf, nur Simulationsplakate statt Realität. (Foto: Google Street View)

Wo bisher eine gigantische Werbeplane die letzte Baulücke am Leipziger Platz in Berlin verdeckt, soll nach Plänen der Architektin Hilde Léon ein neungeschossiges Geschäfts- und Bürohaus für rund 40 Millionen Euro entstehen. Die Vorsitzende des Architekturwettbewerbs, Ulrike Lauber, präsentierte den Siegerentwurf am 5. Juli 2016 gemeinsam mit Berlins Bausenator Andreas Geisel. Eingeladen hat Strieders Unternehmen „Ketchumpleon“. Der Leipziger Platz bekomme damit zum Abschluss ein repräsentatives Projekt, betonte Lauber. Mit dem Bau soll voraussichtlich im Sommer 2017 begonnen werden, die ersten Gewerbe-Mieter könnten bereits im Herbst 2019 einziehen. In dem Gebäude, das an der Nordecke des Platzes entstehen soll, sind 2.000 Quadratmeter mit Geschäften und 6.500 Quadratmeter mit Büros geplant.

Bausenator Geisel rechtfertigt die Ausnahmegenehmigung mit dem Standort. Geisel auf der Präsentation am 5. Juli 2016: „Keiner braucht hier verlärmte Luxuswohnungen.“ Wie Berlin Journal berichtete, fahren allein auf der Leipziger Straße 35.000 Autos am Tag.

Büroflächen bringen offenbar doppelt so viel ein

Nach Informationen des Tagesspiegel bringt die Vermietung von Büroflächen am Leipziger Platz doppelt so viel Geld ein wie die von Wohnungen. Der Baustadtrat von Mitte, Carsten Spallek (CDU), hatte eigenen Angaben zufolge auch gegenüber der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher darauf gepocht, den Bebauungsplan einzuhalten und den Investor nicht von der Pflicht zu befreien, Fläche für Wohnungen bereitzustellen. Eine Befreiung sei schon wegen des Gebots der „Gleichbehandlung“ von Investoren am Leipziger Platz nicht möglich.

Aber kurze Zeit später drückte die von Geisel geführte Senatsverwaltung die Befreiung durch – gegen die politische Maxime, jede Lücke in der Stadt mit Wohnungen zu füllen und gegen den Bezirkswillen. Formal ging das laut Tagesspiegel so: Die F100 reichte eine „Bauvoranfrage“ in Mitte ein für den Neubau, ohne Wohnungen, trotz Spalleks klarer Ansage. Der Bezirk lehnte ab, der Bauträger legte Widerspruch ein und über den entschied der Senat – zugunsten von Strieders Auftraggeber. „Wenn der Bauträger jetzt einen Bauantrag ohne Wohnungen stellt, müssen wir den genehmigen“, sagt Spallek. Laut Pressemitteilung des Senats werde der Investor den Bauantrag voraussichtlich Ende 2016 stellen.

Sieben Architekturbüros im Wettbewerb

Das Architekturbüro Hilde León setzte sich mit seinem Entwurf gegen starke Konkurrenz durch: Unter anderen waren zu dem Wettbewerb die renommierten Büros David Chipperfield und Sauerbruch Hutton eingeladen.

An der Stelle, wo das neue Gebäude errichtet werden soll, steht seit zehn Jahren ein riesiges Baugerüst, dessen Struktur ein Gebäude simuliert. Es ist mit einer Plane eingehüllt, auf der das Bild einer Hausfassade gedruckt ist. Der Entwurf für das solcherart dargestellte Gebäude stammt von einem Berliner Architekturbüro, das zu dem Wettbewerb übrigens nicht eingeladen wurde – sehr zum Ärger des Architekten.

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