Kurt Masur, Welt-Dirigent und Stimme der Leipziger Montagsdemo, ist tot

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Der weltbekannte Leipziger Dirigent Kurt Masur starb gestern früh im Alter von 88 Jahren. (Foto: Youtube/Boston Synfonic Orchestra 2010)
Der weltbekannte Leipziger Dirigent Kurt Masur starb heute früh im Alter von 88 Jahren. (Foto: Boston Symphony Orchestra 2010)

Er gilt als einer der Helden von Leipzig, mit dessen mutigem Einschreiten ein Blutbad bei der Leipziger Montagsdemo am 9. Oktober 1989 an 70.000 Reisefreiheits-Demonstranten duch 8.000 bewaffnete Polizisten, Soldaten und Kampfgruppenmitglieder verhindert werden konnte.  Der Chefdirigent des Leipziger Gewandhausorchesters, Professor Kurt Masur, ist tot.

Masur sei in den frühen Morgenstunden des heutigen Samstags im Alter von 88 Jahren gesorben, teilten die New Yorker Philharmoniker mit. Professor Kurt Masur war von 1991 bis 2002 Chefdirigent der Philharmoniker.

https://youtu.be/vduglqKm_Mk

Im Jahr 2012 wurde bei dem Künstler der Ausbruch der Parkinson-Krankheit festgestellt. Daher dirigierte Masur zuletzt nur noch von einem Rollstuhl aus.

Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hat die prägende Rolle Kurt Masurs für die sächsische Stadt gewürdigt. „Leipzig ist ohne den Weltbürger Kurt Masur kaum vorstellbar“, erklärte Jung heute zum Tode des Dirigenten und Leipziger Ehrenbürgers. „Wir verlieren ein musikalisches Genie, einen faszinierenden Dirigenten von erstem Weltrang und einen großen Humanisten.“

Jung erinnerte zugleich an die wichtige Rolle, die Masur am 9. Oktober 1989 mit seinem Aufruf zum Gewaltverzicht bei der Montagsdemo spielte. „Masur setzte erfolgreich seine Autorität ein, um friedlich das System zu revolutionieren“, erklärte der Stadtchef. „Kurt Masur wird Leipzig fehlen, wir verlieren eine Identifikationsfigur und ich persönlich werde seinen väterlichen Rat schmerzlich vermissen.“

Bei der allerersten Leiziger Montagsdemo am 4. September 1989 versammelten sich nur ein paar Hundert. Am folgenden Montag waren es bereits 1.500 Menschen. Am 25. September hatten schon 5.000 den Mut, nach dem Friedensgebet auf die Straße zu gehen. Am 2. Oktober waren es 10.000, am 9. Oktober 70.000, am 16. Oktober 120.000, am 23. Oktober 250.000. Und am 30. Oktober (dem Tag des letzten „Schwarzen Kanals“ von „Sudel-Ede“ Karl Eduard von Schnitzler) 300.000 Menschen.

Besonders prekär war die Montagsdemo vom 9. Oktober 1989.

Den 70.000 demonstrierenden Menschen standen 8.000 bewaffnete Polizisten, NVA-Soldaten und Angehörige der Kampfgruppen gegenüber. Nicht nur scharfe Munition war bereits ausgegeben worden, sondern in den Krankenhäusern Blutkonserven und Notbetten vorbereitet gewesen. Die Telefonistinnen der Krankenhäuser hatten die Maßnahmen mitbekommen und warnten entsetzt ihre Bekannten vor einem Blutbad.

Den Befehl zum harten Durchgreifen gegen die 70.000 Demonstranten hatte Erich Honecker schon unterschrieben.

Es war nicht dessen Nachfolger Egon Krenz, der das Blutbad vereitelte, sondern der Chefdirigent des Leipziger Gewandhauses, Professor Kurt Masur, der zusammen mit SED-Funktionären einen Aufruf zur Gewaltlosigkeit verbreiten ließ. Krenz billigte erst im Nachhinein per Telefon die Gewaltfreiheit.

„Wir hatten echt Angst. Denn kurz vorher waren in China auf dem Platz des Himmlischen Friedens junge Demonstranten vom kommunistischen Regime einfach niedergemäht worden. Und Honecker hatte sich gerade mit dem Oberchinesen getroffen und Bruderküsschen ausgetauscht. Die chinesische Lösung lag buchstäblich in der Luft“, erinnert sich Sebastian Krumbiegel, der Frontsänger der Popgruppe „Die Prinzen“ gegenüber dem Europapolitik-Magazin EurActiv.de aus dem Haus der Bundespressekonferenzm am Schiffbauerdamm 40 in Berlin Mitte. „Als wir von Berlin nach Leipzig fuhren, überholten wir einen NVA-Militärkonvoi. Wir dachten nur, „Was erwartet uns dort?““, erinnert sich der einstige DDR-Bürgerrechtler Siegbert Schefke. „In Leipzig war die Stadt voll Polizei. Überall waren behelmte, mit Schlagstöcken bewaffnete Sicherheitskräfte zu sehen“, ergänzt der ehemalige DDR-Oppositionelle Aram Radomski. „Ihr Auftritt war martialisch. Da wurde uns mulmig zumute.“

Zum Tod von Kurt Masur erklärte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière:

„Der Tod von Kurt Masur erfüllt mich mit tiefer Trauer. Deutschland hat einen seiner großen musikalischen Botschafter verloren. Ob als Kapellmeister des Leipziger Gewandhauses oder als Stimme der Leipziger Montagsdemonstrationen im Herbst 1989 – Kurt Masur hat Deutschland musikalisch und politisch in entscheidender Weise geprägt. Meine Gedanken sind bei seiner Frau und seinen Kindern.“

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