Ein Psyche-sexuelles Melodrama voller Witz und fesselnder Spannung. L’AMANT DOUBLE kann man manchmal kaum ernst nehmen, in der nächsten Szene schlägt man dann aber doch seine Hände erschrocken vor sein Gesicht. Viel Sex, anschauliche, trockene Gewalt und wunderschöne Darsteller machen das neue Werk von Francois Ozon zu einem klaren Favoriten unter den diesjährigen Besuchern des Cannes Filmfestivals.
L’AMANT DOUBLE von Francois Ozon
Wie man L’AMANT DOUBLE allerdings bewerten soll, ist eine Frage für sich. In Mitten des sexuell-geladenen Psychodramas taucht auch eine laute Nachbarin mit ausgestopften Katzen auf. Das Kinderzimmer ihrer ausgezogenen Tochter ist voll mit Katzenmustern – als Hauptdarstellerin Chloe dort einmal übernachtet, wartet die unheimliche Nachbarin mit einem Kuchen auf ihr Erwachen. Vielleicht ist der ganze Film ein Witz?
Der Film schafft vor allem eins: er nimmt das Publikum auf eine emotionale Achterbahnfahrt. Es wird gelacht, gestöhnt, gezittert und gejubelt.
L’AMANT DOUBLE ist eine Adaption von Joyce Carol Oates‘ Buch ‚Lives Of The Twins‘ und erfüllt wirklich jede mögliche Interpretation des Titels. Regisseur Francois Ozon schaffte einen Film über verfeindete Zwillinge mit exponentiell wachsenden Problemen.
Zuerst geht es aber um Chloe (Marine Vacth). Die 25-Jährige war früher Model und offenbart ihre Schönheit mit einem neuen Kurzhaarschnitt. Seit Längerem quält sie sich nun schon mit Bauchschmerzen, die, so sagen die Ärzte, höchstwahrscheinlich nur psychosomatisch zu erklären sind.
Sie entscheidet sich für eine Therapie und lernt Paul (Jérémie Renier) kennen. Schnell fängt sie an von ihren Unsicherheiten und Ängsten zu erzählen, macht damit dem Ego von Therapeut Paul schöne Augen. Ihr Taktik funktioniert: ‚Ich habe von Dir geträumt, ist das ein gutes Zeichen?‘.
An der Grenze von Gut und Böse
Paul kann nicht mehr widerstehen und transmutiert die professionelle Beziehung in eine romantische. Obwohl es Chloe besser zu gehen scheint, zweifelt sie an der Ehrlichkeit von Paul und wird neugierig.
Bald entdeckt sie seinen Zwillingsbruder Louis, wessen Identität ihr bislang verschwiegen wurde. Auch Louis ist Therapeut, der ganz andere Methoden für die Probleme von Chloe anwendet. Es stellt sich heraus, dass sich Chloe auch von ihm angezogen fühlt.
In einer Szene schnallt sich Chloe einen großen Dildo an und überredet Paul für eine neue Erfahrung. Paul fragt davor ganz niedlich, ob sie denn auch dafür bereit wäre. Wobei er derjenige ist, der ganz klar lieber dem Status-Quo gefolgt wäre.
Ohne die brillante Besetzung hätte der Film keine Chance gehabt. Marine Vacth gibt Chloe tiefen Schmerz und Sehnsucht nach emotionalem Frieden wie es keine andere machen könnte. Und Renier spielt beide der Zwillingsbrüder in einer Doppelrolle und schafft einen kraftvollen Kontrast zwischen den so verschiedenen Charakteren.