Laut E-Mails und Lageso-Akten habe Mario Czaja Asylheime verhindert

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Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak posierte am 21. Februar 2013 in der B.Z. vor einem vehrinderten Asyleheim für 300 Asylanten am Kirchhainer Damm in Lichenrade. Die B.Z. schrieb über die Verhinderung: Luczak "intervenierte bei seinem Pareitfreund, Sozialsenator Mario Czaja." So einfach war das. (Foto: CDU-Lichtenrade.de)
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak posierte am 21. Februar 2013 in der B.Z. vor einem verhinderten Asylheim für 300 Asylanten am Kirchhainer Damm in Lichtenrade. Die B.Z. schrieb über die Verhinderung: Luczak „intervenierte bei seinem Parteifreund, Sozialsenator Mario Czaja.“ So einfach war das. (Foto: CDU-Lichtenrade.de)

In einem 96 Seiten starken Bericht rechnet das Lageso mit Berlins Sozialsenator Mario Czaja (40, CDU) ab. Der Hauptvorwurf: Das Flüchtlingsproblem hätte Berlin nicht so hart getroffen, hätte Czaja nicht schon 2013, als bereits Tausende Flüchtlinge nach Berlin kamen, aus Rücksicht auf Politikfreunde die Einrichtung von Asylheimen verhindert.

Czaja und etliche mutmaßlich Begünstigte weisen die Vorwürfe zurück. Doch am Wochende öffentlich gewordene E-Mails von Czaja und und Aktenvermerke in der Lageso-Verwaltung nähren den Verdacht auf Schiebung bei Asylheimen.

Vorwurf 1: Im April 2013 soll sich Czaja dafür eingesetzt haben, im Bezirk Tempelhof-Schöneberg vorerst kein weiteres Asylbewerberheim zu errichten. Czaja habe 2013 eine Einrichtung im Unterbezirk Lichtenrade auf Bitten seines CDU-Parteikollegen Jan-Marco Luczak (40) verhindert. Der Bundestagsabgeordnete hatte sich kurz vor der Bundestagswahl gegen die Unterkunft in seinem Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg gewehrt.

Im Februar 2013 posierte Luczak in der B.Z. vor einem möglichen Heim am Kirchainer Damm in Lichtenrade. Die CDU-Lichtenrade versprach den Wählern auf der Website: „Die Lichtenrader können endlich aufatmen: Das geplante Asylbewerberheim am Kirchhainer Damm kommt definitiv nicht! Darüber freut sich vor allem Jan-Marco Luczak, der mit seinen Argumenten und seiner Kritik den Senat zum Umdenken gebracht hat.“

Die B.Z. veröffentlichte am 19. Dezember 2015 eine E-Mail von Mario Czaja vom 18. April 2013 an Lageso-Präsident Franz Allert: „Guten Morgen, ich habe die Nachfrage erhalten, ob wir in der Augsburger Straße in Lichtenrade eine Asylunterkunft planen. Ich will deutlich sagen, dass dies auch in Tempelhof-Schöneberg liegt und der Bezirk sich bereits überproportional an der Aufgabe beteiligt und daher dort keine weitere Unterkunft entstehen soll.“

Die Lageso-Verwaltung kam  zu einer anderen Einschätzung über den Bezirk, wie die BILD herausfand. In einem LAGeSo-Vermerk an Czajas Staatssekretär Dirk Gerstle (54, CDU) vom 17. September 2013 heißt es dazu: „Dem Soll-Ist-Vergleich auf der Grundlage des berlinweiten Verteilkonzepts kann entnommen werden, dass Tempelhof-Schöneberg mittlerweile keine Spitzenposition einnimmt, sondern im Mittelfeld liegt. Dort sollten in den nächsten zwölf Monaten mindestens 288 Unterkunftsplätze eröffnet werden.“

In einem weiteren Dokument steht sogar: „Bezirk ließ informelle Zustimmung erkennen, Akquiseverbot durch den Senator“.

Czaja-Sprecher Sascha Langenbach bemühte sich am Sonntag um Schadensbegrenzung: „Ein ‚Akquiseverbot‘ hat es nicht gegeben.“

Erst nach der Bundestagswahl wurde eine Asyl-Einrichtung im Streitobjekt eröffnet. Inzwischen steht auch auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof eine der größten Notunterkünfte Deutschlands.

Der SPIEGEL bescheinigt nun der Berliner CDU: „Bevor die Flüchtlingszahlen zu schnellem Handeln drängten, wurde um jeden Quadratmeter gekämpft.“ Zum Beweis führt der SPIEGEL noch drei weitere Beispiele ins Feld:

Vorwurf 2: Ähnlich wie in Lichtenrade soll Czaja interveniert haben, als es um Immobilien für Flüchtlinge im Bezirk Spandau ging. Angeblich, so zitiert die B.Z. einen Lageso-Mitarbeiter, weil der CDU-Landespolitiker Kai Wegner in unmittelbarer Nähe wohne. „Da red ich mal mit Kai Wegner, aber Sie dürfen noch nichts machen“, schrieb Czaja einer Lageso-Abteilungsleiterin. Wegner sprach sich damals öffentlich gegen eine neue Erstaufnahmeeinrichtung aus, sagt aber: es gab keinen Deal.

Vorwurf 3: Ende 2012 wurde erwogen, ein Hostel in Ku’damm-Nähe als Asylbewerberheim zu nutzen. Laut B.Z. soll der damalige CDU-Bezirkspolitiker Stefan Evers davon abgeraten haben. So beschreibt es eine Lageso-Mitarbeiterin ihren Vorgesetzten. Demnach habe Evers zu bedenken gegeben, dass etwa Berlins Ex-Bürgermeister Eberhard Diepgen „im Umkreis des Jugendgästehauses Eigentum“ besäße und „einen Werteverlust“ fürchte. Aus dem Asylbewerberheim wurde nie etwas, inzwischen entstehen dort Luxuswohnungen.

Diepgen wird von der B.Z. mit den Worten zitiert: „Von meiner Seite aus gab es nie eine Intervention“. Auch wohne er zwar in der Nähe, besäße dort aber kein Eigentum. Auch der Abgeordnete Evers sagt: Er habe nie mit einer Lageso-Mitarbeiterin gesprochen. Die E-Mail, die die B.Z. anführt, beweist nicht das Gegenteil. Aber es bleibt die Frage offen, warum sich eine Mitarbeiterin solche Details einfach ausdenken sollte.

Vorwurf 4: Der damalige Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) soll Czaja 2013 darum gebeten haben, ein Flüchtlingsheim „etwas dezenter in einiger Entfernung“ zu den Anwohnern errichten zu lassen. Schließlich wurde das Gebäude laut B.Z. um 15 Meter verschoben, was den Bau verzögerte und verteuerte. Der Senat bestätigt, mit der Verschiebung sei „eine sozialverträglichere Situation“ entstanden. Buschkowsky bezeichnet aber den Verdacht, er habe den Bau bewusst verschleppt, als „frei erfundenen Schwachsinn“.

Berlins Regierendem Michael Müller (51, SPD) reicht es nun offenbar. Senatssprecherin Daniela Augenstein sagte am 19. Dezember 2015 zu BILD: „Wir gehen davon aus, dass der Senator über alle im Raum stehenden Vorwürfe berichtet und diese ausräumen wird. Der Sozialsenator muss hier für Aufklärung sorgen.“

Mario Czaja weist den Verdacht zurück. Es habe keine Verbote von Flüchtlingsheimen gegeben, sondern Gespräche über Prioritäten – in einer Zeit, in der dies noch möglich war. 2013 kamen etwa 6000 Flüchtlinge nach Berlin, in diesem Jahr sollen es bis zu 83.000 werden.

Vorwurf 5: Rechtswidrige Praktiken geduldet.

Der Berliner Landesrechnungshof wirft  Czaja in einem vertraulichen Sondergutachten vor, rechtswidrige Praktiken im Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) bei der Unterbringung von Flüchtlingen jahrelang geduldet zu haben.

Die Prüfer kritisieren nach Informationen des SPIEGEL, das Lageso habe „Gemeinschaftsunterkünfte in Betrieb genommen, bevor die Vertragsverhandlungen abgeschlossen sind“. Die Fachaufsicht – also der Senator – habe über Jahre „nicht in die ihr bekannte, rechtswidrige Praxis eingegriffen“.

Die Senatsverwaltung habe ihre „gesetzlichen Aufgaben bei der Unterbringung von Flüchtlingen nicht hinreichend wahrgenommen“, heißt es in dem Papier, das dem Senator seit Oktober 2015 vorliegt. „Trotz jahrelanger Kenntnis der steigenden Flüchtlingszahlen hat die zuständige Verwaltung weder auf ministerieller noch auf operativer Ebene die Unterbringung geplant und gesteuert“, heißt es dort weiter.

Außerdem wird der Landesrechnungshof Czaja Geldverschwendung vor.

Jetzt meldet sich die frühere Berliner Spitzenkandidatin und in Berlin lebende Bundestagsabgeordnete Renate Künast (59, Bündnis 90/Die Grünen) zu Wort und fordert laut SPIEGEL Czajas Rücktritt: „Der Mann muss weg.“

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22 KOMMENTARE

  1. Na klar. So wie alle anderen auch verhindern ,dass in ihrer direkten Nachbarschaft keine Heime entstehen . Oder dort wo diejenigen wohnen wo die Spenden herkommen.

  2. Das würde ja bedeuten das Berlin bereits 2013 plante den Flüchtlingsstrom gen Deutschland zu leiten. Jetzt wäre es interessant zu wissen wer so alles in diese Planungen involviert war.

  3. Die Bundesregierung wußte bereits vor 3-4 oder mehr Jahren was da mal auf uns zukommen wird. Was hat sie unternommen…..rein garnichts. Oder glaubt wirklich noch einer daran das dieser Flüchtlingsstrom purer zufall ist? Das ist alles von langer Hand sehr gut vorbereitet worden.

  4. Es geht immer nur um Geld, Macht und noch mehr Geld. Irgendwer will viel Geld verdienen und andere wollen kein Geld verlieren. Die Menschen und deren Schicksal das interessiert doch keine Sau, ausser den dummen Refugees Willkommen Rufer. Aber auch die bringen die Kohle in die Taschen der Verdiener.

  5. Würde man das mit dem Deutschen machen,hätten wir keine Armut u Obdachlose mehr.Von Armut darf in Deutschland keine rede sein.Ich frage mich,was macht diese Regierung mit ihrem eigenem Volk?

  6. Interessant sind die Qualitäten der Haftung und Perspektiven..wenn Manager am BER versagen bekommen sie ne Abfindung…wenn Beamte das Risiko nicht eingehen wollen (oder sich trauen) Plätze für Flüchtlinge frei zu machen (aufgrund angelnder sanitäreinrichtungen…flucht- oder rettungswege etc.) dann wird er rund gemacht?

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