Starker Zuzug, wachsende Bevölkerung – Studien belegen Wohnungsknappheit, steigende Mieten und Immobilienpreise im Land der Eidgenossen. „Es wird schlicht zu wenig gebaut in der Schweiz. Gerade für Wohnungssuchende hat sich der Markt komplett verändert“, meint Wahlschweizer und Immobilienexperte Michael Oehme.
Michael Oehme: Vom Problem- zum Trendviertel
„Das Beispiel Seebach-Quartier, mit den Öffentlichen eine halbe Stunde vom Zürcher Hauptbahnhof entfernt und vor einigen Jahren noch Anziehungspunkt für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, zeigt die Entwicklung am besten“, erklärt Immobilienexperte Michael Oehme.
So berichtete der Schweizer Blick, dass sich die Wohnungsnot selbst in weniger gefragten Vierteln immer weiter zuspitzt. Wie ein Lottogewinn erweist es sich inzwischen, eine der wenigen gefragten Wohnungen zu erhaschen. Der Blick: „24 Wohnungen sind zu vergeben. Die ersten Interessenten waren mehr als eine Stunde zu früh da. Am Höhepunkt ist die Warteschlange 150 lang, reicht die ganze Zufahrtsstraße hinunter bis zum nächsten Wohnhaus. Ein junger Mann wird am Eingang abgewiesen. Er hat die Bewerbungsunterlagen mit dem Anmeldeformular, Betreibungsregisterauszug und Ausweisdokument vergessen.“ Derartige Verhältnisse hat es noch nie gegeben. „Und diese Situation ist vermutlich erst der Anfang“, meint Michael Oehme.
Wohnungswirtschaft hinkt demografischer Entwicklung hinterher
„Man muss es ganz klar sagen: Die Probleme sind hausgemacht beziehungsweise eine nationale Herausforderung“, so Immobilienexperte Oehme. Denn die Schweiz wächst. 1955 lebten in der Schweiz fünf Millionen Bürger. Mitte dieses Jahres dürfte die 9-Millionen-Grenze fallen. Und spätestens in der ersten Hälfte der 2030er Jahre dürften es zehn Millionen (Wahl-)Schweizer sein – davon immer mehr durch Zuwanderung. Zumindest dann, wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung in den angrenzenden europäischen Ländern nicht verschärft. 100.000 Menschen siedelten vergangenes Jahr in die Schweiz – so viel wie nie zuvor.
Die stabile Schweizer Wirtschaft und die hohen Einkommen locken. Auch die Prognosen sind besser als im benachbarten Ausland. „Sollte sich die Schweiz noch deutlicher von anderen Volkswirtschaften absetzen, könnte die 10-Millionen-Grenze auch früher geknackt sein. Dieser Entwicklung kommt die Wohnungswirtschaft einfach nicht nach“, meint Oehme. Und so kommt die Dezemberstudie der UBS zu dem Ergebnis, dass bei dem oben beschriebenen Szenario und aufgrund der lahmenden Bautätigkeit bis 2034 voraussichtlich mindestens 150.000 Wohnungen fehlen. Eine Entwicklung, die dem ein oder anderen Politiker Angst macht und nationalistische Tendenzen fördert. Doch ohne Ausländer geht es in der Schweiz nicht. Regelmäßig sind es besser qualifizierte Fachkräfte, die in die Schweiz umsiedeln.
Michael Oehme: Suche nach den Gründen für fehlende Bautätigkeit
Experten der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) prognostizieren zwar, dass der Wohnungsbau auf die Knappheitssituation reagiere – allerdings nicht im ausreichenden Maß. Danach würden zwar die Investitionen in diesem und im kommenden Jahr steigen, allerdings nur auf dem Niveau von 2011. Damals lebten rund eine Million weniger Menschen in der Schweiz. Die Fachleute der Immobilienberatungsgesellschaft Wüst Partner machten sich auf die Suche nach den Ursachen und kommen auf eine Vielzahl von Gründen. Erstens fehlt es in der Schweiz schlicht an attraktiven Baulandflächen. „Zwar geistert in der Schweiz der Begriff der Baulandverdichtung durch alle Bereiche. Aber Verdichtungen sind anspruchsvoll, komplexe Vorschriften und Einsprachen der Bürger machen den Immobilienfirmen das Leben zusätzlich schwer. Vereinfachungen bei Baueingaben und eine Einschränkung möglicher Einsprachen auf tatsächlich begründete Situationen wären daher wünschenswert“, erläutert Oehme.
Zumindest an letzterem arbeitet der Schweizer Bundesrat. Eher abwegig sei es dabei, dass künftig in erforderlichen Umfang Neubauflächen ausgewiesen werden. Volksentscheide, die in der Schweiz eine große Rolle spielen, sprechen hier eine eindeutige Sprache. Zweitens fehlt es in der Schweiz an Fachkräften am Bau und in den Gemeinde-Ämtern, wo Baugesuche bearbeitet werden. Die Schweiz hat eben Vollbeschäftigung, dies gilt – nicht nur, aber auch – für die öffentlichen Stellen und das Baugewerbe. Und drittens bremste die Angst vor steigenden Kosten mögliche Bauaktivitäten. Diese Angst erwies sich zwar als weitgehend unbegründet, aber aufgeschobene Projekte wurden nicht mehr nachgeholt.
Als positiv wird dabei bewertet, dass das Zinsniveau eher rückläufig ist und erwartet wird, dass die Schweizer Nationalbank (SNB) Mitte des Jahres die Leitzinsen senken dürfte. Damit könnten sich die Baufirmen wieder günstiger mit Krediten eindecken. „Zusammengefasst lässt sich also festhalten: Die Schweiz braucht mehr Wohnungen, baut sie aber nicht. So entstehen derzeit lediglich so viele Wohnungen wie vor zehn Jahren – damals lebten aber rund eine Million weniger Bürger in der Schweiz. Weitgehend unberücksichtigt davon bleiben bislang Zahlen, wie sie die Großbank UBS aus der Bevölkerungsentwicklung ableitet. Für Immobilieninvestoren tun sich hier erhebliche Chancen auf“, so Michael Oehme abschließend.