Mitte: Proteste gegen 7. Hochhausturm auf der Fischerinsel

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So soll sich nach den Plänen der WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH unter Leiung der Geschäftsführer Christina Geib und Lars Ernst der 7. Hochhausturm uförmig (dunkel hervorgehoben) auf der Fischerinsel in Mitte einfügen . Foto: WBM copyright DMWS/bzz)
So (dunkel hervorgehoben) soll sich nach den Plänen der WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH unter Leiung der Geschäftsführer Christina Geib und Lars Ernst der 7. Hochhausturm mit bis zu 19 Geschossen und bis zu 65 Metern Höhe uförmig  am Mühlendamm in die Fischerinsel in Mitte einfügen. (Foto: WBM copyright DMWS/bzz)

Während nebenan rund um den Berliner Fernsehturm mit den Bürgern Berlins unter dem Motto „Alte Mitte – neue Liebe?“diskutiert wird, wie die historische Mitte von Berlin am besten aussehen solle, werden im Schatten des Fernsehturms auf der Fischerinsel von der dort zuständigen WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH aus der Dircksenstraße 38 zusammen mit dem Senat für Stadtentwicklung über die Köpfe der Anwohner hinweg Tatsachen geschaffen.

Die WBM stellte nun überraschend ihre Pläne vor, einen zusätzlichen 7. Wohnhausturm auf der Fischerinsel am Mühlendamm aus dem Boden zu stampfen und lädt nun hinterher die Mieter der anderen sechs Türme zu einer Veranstaltung ein, um sie über die Pläne zu informieren, nicht mit ihnen darüber zu diskutieren.

Am 18. September 2015 gab die WBM bekannt, dass der Wettbewerb Fischerinsel für einen Wohnungsneubau von einer Jury entschieden worden sei.

Das neue Hochhaus soll aus einer U-förmigen Randbebauung emporragen und fast so groß werden wie die benachbarten Hochhäuser, die zirka 65 Meter hoch sind.  Laut WBM sind Mietwohnungen „für breite Schichten der Bevölkerung“ geplant. Dazu gehören auch preiswerte Wohnungen, die mit Fördermitteln des Landes errichtet werden. Diese werden zurzeit für Quadratmetermieten von 6,50 Euro (kalt) errichtet. Mindestens die Hälfte der Wohnungen soll für Senioren geeignet sein. Im Erdgeschoss sind Läden für die Nahversorgung vorgesehen.

Wie es dazu kam, beschreibt WBM-Pressesprecherin Steffi Pianka so:

„Die WBM beabsichtigt, auf dem Grundstück Mühlendamm Ecke Fischerinsel unmittelbar am historischen Zentrum von Cölln zirka 200 neue Wohnungen zu errichten. An dem städtebaulich exponierten Standort sollen qualitätsvolle Mietwohnungen für breite Schichten der Bevölkerung entstehen.

Auf die Bedürfnisse der bestehenden Nachbarschaft und den künftig hier lebenden Bewohnern wird direkt reagiert. So sollen es neben marktgerechten Wohnungen auch insbesondere solche für Senioren geeignete entstehen. Derzeit gehen wir von zirka 36 Prozent preisreduzierten Wohneinheiten aus, hiervon zirka 27 Prozent aus der Wohnungsbauförderung. Darüber hinaus sind zwei integrierte Senioren-Wohngemeinschaften sowie im Erdgeschoss kleinere, auf Nahversorgung ausgerichtete Gewerbeeinheiten geplant.

Um eine angemessene Lösung für diesen städtebaulich anspruchsvollen Ort zu finden, hat die WBM im Mai 2015 einen zweiphasigen europaweiten Wettbewerb ausgelobt, an dem in der ersten Phase vier eingeladene und 16 in einem vorgeschalteten Bewerbungsverfahren ausgewählte Teams aus Architektur- und Landschaftsarchitekturbüros teilgenommen haben. Fünf davon hat das Preisgericht in seiner ersten Sitzung am 8. Juli 2015 für die Weiterarbeit in der zweiten Phase ausgewählt.“

Jury, Organisatoren und Bauherren vor dem Modell des Wohnneubau-Blocks. (Foto: WBM)
Jury, Organisatoren und Bauherren vor dem Modell des Wohnneubau-Blocks auf der Fischerinsel. (Foto: WBM)

Die WBM-Sprecherin weiter: „Am 17. September 2015 hat das Preisgericht zum zweiten Mal getagt und unter Vorsitz von Julia Tophof aus den fünf Arbeiten der zweiten Phase den Vorschlag des Berliner Büros DMSW – Julia Dahlhaus, Michael Müller und Philipp Wehage – und bbz Landschaftsarchitekten mit dem 1. Preis ausgezeichnet und zur Realisierung empfohlen.

Zwei dritte Preise gingen an die ebenfalls Berliner Büros Peter W. Schmidt Architekten mit Adler & Olesch Landschaftsarchitekten und blauraum Architekten mit Holzwarth Landschaftsarchitektur.

Der Siegerentwurf, der eine U-förmige Blockrandschließung entlang Fischerinsel und Mühlendamm vorsieht, die mit einem turmartigen 19-geschossigen Kopfbau zur Mühlendammbrücke abschließt, überzeugte die Jury durch seine Baukörperausrichtung, Gliederung und Höhenstaffelung, die sich angemessen in den vorhandenen städtebaulichen Kontext einfügt und einen gelungenen stadträumlichen Dialog mit den Hochhäusern auf der Fischerinsel schafft.“

Dagegen hagelt es nun Proteste von der Planungsgruppe Stadtkern und dem Bürgerforum Berlin, dem alle großen Berliner Geschichtsvereine angeschlossen sind.

Der Berliner Verein Historische Mitte sammelt unterschriften für einen Protestbrief. Prominentester Kritiker ist der ehemalige Senatsbaudirektor (bis 2007) Hans Stimmann.

„Ich halte die geplante Bebauung der sogenannten Fischerinsel mit einem weiteren Wohnhochhaus für falsch“, sagte er der Berliner Zeitung. „Damit werden die Planungen der 70er-Jahre für ein sozialistisches Stadtzentrum mit Wohnen in Hochhäusern weitergeführt, als existiere die DDR noch.“

19 Geschosse mit 65 Metern Höhe seien zu viel

Die neue Bebauung sollte sich mit vier bis sechs Geschossen stärker am früheren Stadtgrundriss orientieren. Das Gebiet um den Mühlendamm gilt als Keimzelle der Doppelstadt Berlin-Kölln, aus der die heutige deutsche Hauptstadt entstand.

Das vom Senat 1999 beschlossene Planwerk Innenstadt, das Grundlage für die weitere Bebauung sein sollte, sieht kein Hochhaus an dieser Stelle vor, betonte Stimmann. „Sollte man an eine Revision dieser Überlegungen denken, braucht man ein Konzept für den gesamten Fischerkiez und eine öffentliche Debatte“, so Stimmann.

Am Mühlendamm/Ecke Fischerinsel befand sich einst der Köllnische Fischmarkt – neben dem Molkenmarkt einer der ältesten Marktplätze der Stadt. Mit dem Bau der Trasse Leipziger Straße, Gertraudenstraße und Mühlendamm in den 60er- und 70er Jahren verschwand der Fischmarkt unter dem Asphalt.

Die Pläne für die Fischerinsel sehen vor, sich wieder stärker an die Geschichte zu erinnern. Am Petriplatz, dem einstigen Mittelpunkt von Kölln, soll an Stelle der im Krieg schwer beschädigten und 1964 abgerissenen Petrikirche ein interkulturelles Bethaus entstehen, daneben ein archäologisches Zentrum.

Der Senat für Stadtenwicklung verteidigt das Vorhaben.

„Das Hochhaus ist das Ergebnis eines internationalen Architekturwettbewerbes“, sagte Behördensprecherin Petra Rohland. „Es ordnet sich durchaus in das Hochhausensemble auf der Fischerinsel ein und entspricht einer gewollten Verdichtung, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – auch in historisch bedeutender, zentraler Innenstadt-Lage.“

Ausstellung im IHZ Berlin

Die Arbeiten der Wettbewerbsteilnehmer werden vom 02. Oktober bis 16. Oktober 2015 im Foyer des Internationalen Handelszentrums (IHZ) in der Friedrichstraße 95, 10117 Berlin, öffentlich ausgestellt.

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