Jeder dritte Pflegeheim-Bewohner wird ruhig gestellt

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Etwa ein Drittel der Pflegeheimbewohner in Deutschland erhalten Neuroleptika. Diese wurden eigentlich zur Behandlung von krankhaften Wahnvorstellungen entwickelt. Doch werden die Patienten damit ruhig gestellt.

Pflegeheimbewohner werden ruhig gestellt
Rund 40 Prozent der dementen Pflegeheimbewohner erhalten Neuroleptika gegen Wahnvorstellungen.

In Deutschland leben rund 800.000 Menschen in Pflegeheimen. Laut dem aktuellen Pflegereport der Krankenkasse AOK erhalten mehr als 30 Prozent von ihnen Antidepressiva gegen Schwermut. Etwa genauso viele erhalten Neuroleptika gegen Unruhe, Ängste oder Wahnvorstellungen.

Besonders betroffen sind demnach die rund 500.000 Heimbewohner mit Demenz, von denen rund 40 Prozent dauerhaft mindestens ein Neuroleptikum von ihren Pflegekräften erhalten. Doch auch unter den nicht dementen Bewohnern von Pflegeheimen nehmen rund 20 Prozent ein solches Mittel.

Laut Studienleiterin Petra Thürmann wurden Neuroleptika eigentlich zur Behandlung von krankhaften Wahnvorstellungen entwickelt, den sogenannten Psychosen. Nur ganz wenige Wirkstoffe seien zur Behandlung von Wahnvorstellungen bei Demenz zugelassen. Unerwünschte Nebenwirkungen seien Stürze, Schlaganfälle oder Thrombosen.

„Der breite und dauerhafte Neuroleptika-Einsatz bei Pflegeheimbewohnern mit Demenz verstößt gegen die Leitlinien“, zitiert SPON die Pharmakologin, die auch Mitglied im Sachverständigenrat des Bundesgesundheitsministeriums ist.

Für den Report zudem auch 2.500 Pflegekräfte befragt. Diese bestätigten, dass bei mehr als der Hälfte der Heimbewohner Psychopharmaka eingesetzt werden. Demnach erhielten 64 Prozent der Betroffenen die Verordnungen länger als ein Jahr. Immerhin 82 Prozent der Pflegekräfte hält dies auch für angemessen.

Nach Ansicht von AOK-Chef Martin Litsch sind vor allem die behandelnden Ärzte für die Tendenz zur Übermedikation der Pflegeheimbewohner mit Psychopharmaka verantwortlich. Aber auch die Pflegeheimbetreiber seien dabei in der Verantwortung.

Patientenschützer kritisieren den massiven Einsatz von Psychopharmaka. „Für die meisten Heimbewohner ist das äußerst schädlich“, sagt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. „Statt ruhigstellender Mittel brauchen wir Ergotherapie, körperliche Aktivität und individuelle Beschäftigung.“ Aber dafür fehlten Pflegekräfte.

Zwar lehnten heute die meisten Pflegekräfte Fixierungen ab, so Eugen Brysch. Doch nun übernähmen zunehmend Psychopharmaka die Rolle, den Patienten ruhig zu halten. Das sei „Freiheitsberaubung“. Gleichzeitig unterdrückten die Medikamente bei den Heimbewohnern das Empfinden von Freude und Trauer.

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24 KOMMENTARE

  1. Ein Platz in der Intensivpflege kostet im Krankenhaus ca. 1600 EUR am Tag. Und im Intensivpflegeheim ca. 800 EUR am Tag. Warum ist das so? Weil der Wasserkopf und die Bosse im Krankenhaus auch leben möchten. Ironie aus.

  2. Ein Platz in der Intensivpflege kostet im Krankenhaus ca. 1600 EUR am Tag. Und im Intensivpflegeheim ca. 800 EUR am Tag. Warum ist das so? Weil der Wasserkopf und die Bosse im Krankenhaus auch leben möchten. Ironie aus.

  3. Das kann ich zu 100% bestätigen, bei meiner Mutter wurde das auch versucht, ich habe Sie noch am gleichen Tag aus dem Seniorenheim geholt !!!! Sedieren weil Sie sich beschwerte, wegen der nächtlichen Störungen durch die Demenzkranken, ein Skandal, aber wohl übliche Praxis, wer den ganzen Tag vor sich hindämmert, stört weniger den Tagesablauf !!!!

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