Russland-Sanktionen: Putin „Dummheit“, Scholz „wirksam“, Wagenknecht „bescheuert“

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Die Sanktionen gegen Russland treiben die Menschen auf die Straße. In Köln wie in Wismar. In Leipzig und Halle gibt es wieder traditionelle Montagsdemos.

Eine Demonstrantin sagte in der MDR-Sendung FAKT vom 6. September 2022: „Ich habe Angst, dass ich meine Jahre, die ich noch habe, in Armut verfalle. Das, was an Sanktionen gewollt war für Russland, schlägt gegen uns als Bevölkerung zurück. Wir kommen in die Not. Putin lacht.“

In Halle wird seit dem 1. August 2022 jeden Montag dasselbe Banner in der ersten Reihe hochgehalten: „Sanktionswahn stoppen!!! WIR FRIEREN NICHT FÜR EURE POLITIK!“

Demonstranten am 22. August 2022 auf der Montagsdemo in Halle © Bewegung-Halle.de Initiative für Demokratische Selbstbestimmung Halle
Wollen Sanktionen gegen Russland stoppen. Demonstranten am 22. August 2022 auf der Montagsdemo in Halle © Bewegung-Halle.de Initiative für Demokratische Selbstbestimmung Halle

Der Dessauer Kreishandwerksmeister Karl Krökel (73) sagte MDR SACHSEN-ANHALT, das Embargo gegen Russland sei zum Bumerang geworden. Es habe in Deutschland eine riesige Teuerungswelle bei Gas und Kraftstoffen, aber auch bei Baumaterialien erzeugt. Die Lage gerate zunehmend außer Kontrolle.

Putins Antwort auf Sanktionen gegen Russland: Steigende Energie- und Rohstoffpreise

Für Krökel steht fest, dass die derzeitigen Russland-Sanktionen die Existenz vieler Handwerksbetriebe gefährden. Als Beispiel nannte Krökel das Bäcker-Handwerk. Sowohl die Energie, als auch die Rohstoff- und Verpackungspreise hätten sich enorm verteuert. Ein normales Brötchen müsse somit für 70 Cent verkauft werden. Das wolle niemand bezahlen. In anderen Gewerken sei es ähnlich. Es gebe keinerlei Preissicherheit mehr, so Krökel.

Kreishandwerksmeister Krökel organisiert deshalb Kundgebungen gegen die Sanktionspolitik der Bundesregierung. 2.000 Menschen sind zuletzt auf dem Dessauer Marktplatz zusammengekommen. Krökels Forderung: Nordstream 2 müsse sofort geöffnet werden, so werde Energie leicht wieder bezahlbar, eine Petition laufe bereits: „Um erstmal sofort ein Zeichen zu setzen.“

Dass auch die AfD die Öffnung von Nordstream 2 fordere, damit habe man nichts zu tun, mit dieser Partei lasse man sich nicht vergleichen. „Wir sind als Kreishandwerkerschaft im Grunde genommen parteipolitisch neutral.“

Im Deutschlandfunk sagte Krökel am 7. September 2022: „Wir haben die Befürchtung, wenn das Geld immer knapper wird, dass dann die Kunden sich nur noch das Nötigste kaufen, Maler und Bäcker hinten runterfallen. Zum Beispiel macht jetzt die Bäckerei Schieke zum 30. September 2022 zu. Der Mann ist 45 Jahre alt, ein Betrieb in dritter Generation, den es seit 75 Jahren gibt – und das ist erst der Anfang.“

Ausweg Nordstream 2? Putin: „Wir müssen nur den Knopf drücken“

Wladimir Putin (69) am 7. September 2022 auf dem 7. Ostwirtschaftsforum in Wladiwostok © Kremlin.ru
Russlands Präsident Wladimir Putin (69) am 7. September 2022 auf dem 7. Ostwirtschaftsforum in Wladiwostok © Kremlin.ru

Wladimir Putin (69) sagte am 7. September 2022 auf dem 7. Ostwirtschaftsforum in Wladiwostok: „Es gibt nur einen Ausweg. Zurzeit finden in Deutschland Demonstrationen statt, bei denen die Freischaltung von Nord Stream 2 gefordert wird. Wir teilen diese Forderungen der deutschen Verbraucher, wir sind bereit, dies morgen zu tun, wir müssen nur den Knopf drücken, aber wir haben keine Sanktionen gegen Nord Stream 2 verhängt.“

Dr. Sahra Wagenknecht (53, Die Linke) am 8. September 2022 im Bundestag © Deutscher Bundestag Parlamentsfernsehen
Forderte die Rücknahme von Sanktionen gegen Russland: Dr. Sahra Wagenknecht (53, Die Linke) am 8. September 2022 im Bundestag © Deutscher Bundestag Parlamentsfernsehen

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Dr. Sahra Wagenknecht (53) hat am 8. September 2022 im Bundestag die Rücknahme von „Wirtschaftssanktionen“ gegen Russland gefordert und damit Teile ihrer Partei gegen sich aufgebracht. Wagenknecht forderte zudem Verhandlungen mit Russland über eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen.

Mit Blick auf die Regierung sagte sie: „Das größte Problem ist Ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen. Ja, natürlich ist der Krieg in der Ukraine ein Verbrechen. (Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP: Buh!) Aber die Vorstellung, dass wir Putin dadurch bestrafen, dass wir Millionen Familien in Deutschland in die Armut stürzen und dass wir unsere Industrie zerstören, während
Gazprom Rekordgewinne macht – ja, wie bescheuert ist das denn? (Beifall bei der LINKEN und der AfD) Preiswerte Energie ist die wichtigste Existenzbedingung unserer Industrie.
(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)“

Dr. Wagenknecht weiter: „Und wo haben Sie denn Ersatz aufgetan, Herr Habeck?
Bei amerikanischen Frackinggasanbietern, die aktuell 200 Millionen Euro Gewinn mit jedem einzelnen Tanker machen! Klar, so kann man die Gasspeicher auch füllen,
aber den Ruin von Familien und Mittelständlern, die diese Mondpreise am Ende bezahlen müssen, den werden Sie damit nicht aufhalten. Und es fängt doch schon an. Dass der Gasverbrauch der Industrie um fast ein Fünftel eingebrochen ist, liegt doch nicht an plötzlichen Effizienzgewinnen, sondern daran, dass die Produktion schon jetzt dramatisch zurückgeht. Bevorzugtes Ziel von Produktionsverlagerungen sind neuerdings übrigens wieder die USA, weil der Gaspreis in Deutschland inzwischen achtmal so hoch ist wie
in Übersee. (Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, achtmal so hoch!) Make America great again? Eine teure Strategie für eine deutsche Regierung! (Beifall bei der LINKEN und der AfD –
Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie haben recht! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Putin freut sich über Ihre Rede, Frau Wagenknecht!)“

Dr. Wagenknecht fährt fort: „Der Hauptgeschäftsführer des DIHK geht davon aus, dass
Deutschland bei Fortsetzung der jetzigen Strategie in wenigen Jahren 20 bis 30 Prozent ärmer sein wird. Ja, ob es uns gefällt oder nicht: Wenn wir ein Industrieland bleiben wollen, dann brauchen wir russische Rohstoffe und leider auf absehbare Zeit auch noch russische Energie. (Beifall des Abgeordneten Martin Reichardt [AfD]) Deshalb: Schluss mit den fatalen Wirtschaftssanktionen! Verhandeln wir mit Russland über eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen.“

Zudem forderte sie Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (53, Bündnis 90 / Die Grünen) auf: „Wir sind nicht unabhängig. Sie machen sich und uns doch
etwas vor. Lieber Herr Habeck, es mag ja sein, dass auch Ihnen egal ist, was Ihre deutschen Wähler denken. Aber Sie haben nicht das Recht, Millionen Menschen, die Sie
mehrheitlich nicht gewählt haben, ihren bescheidenen Wohlstand und ihre Zukunft zu zerstören. (Beifall bei der LINKEN und der AfD) Deshalb: Treten Sie zurück, Herr Habeck! Denn Ihre Laufzeitverlängerung führt mit Sicherheit zum Super-GAU der deutschen Wirtschaft. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit besten Grüßen aus Moskau, Ihre Rede! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Putins langer Arm!)“

Annalena Baerbock (41, Bündnis 90 / Die Grünen) auf einer Podiumsdiskussion am 31. August 2022 nach dem E(-Außenminister-Treffen in Prag © Forum 2000
Annalena Baerbock (41, Bündnis 90 / Die Grünen) auf einer Podiumsdiskussion am 31. August 2022 nach dem EU-Außenminister-Treffen in Prag © Forum 2000

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (41, Bündnis 90 / Die Grünen) hatte am 31. August 2022 nach dem informellen Treffen der EU-Außenminister in Prag auf einer Podiumsdiskussion erklärt, warum die Bundesregierung die Sanktionen gegen Russland aufrechterhält. In diesem Zusammenhang sagte sie: „Wenn ich Menschen in der Ukraine das Versprechen gebe: ‚Wir stehen mit euch zusammen, so lange, wie ihr uns braucht‘, dann will ich das auch einhalten – egal, was meine deutschen Wähler denken, ich will gegenüber den Ukrainern Wort halten.“

(Im Original: „If I give the promise to people in Ukraine: ‚We stand with you as long as you need us‘, then I want to deliver – no matter what my German voters think, but I want to deliver to the people of Ukraine.“ – hier geht’s zum Video mit der Aussage)

Und die Russland-Sanktionen gehen weiter

PCK Raffinerie Schwedt in der brandenburgischen Uckermark bei Nacht © PCK Raffinerie GmbH
PCK Raffinerie Schwedt in der brandenburgischen Uckermark bei Nacht © PCK Raffinerie GmbH

Nach sieben Sanktionspaketen arbeitet die EU gerade an einem Preisdeckel auf russisches Gas. Und am 1. Januar 2023 greift die nächste Russland-Sanktion wegen des Ukraine-Überfalls. Ein Ölembargo gegen russisches Öl. Die Raffinerie PCK Schwedt, die praktisch Berlin und die neuen Bundesländer mit Sprit versorgt, bekommt dann keinen Tropfen Öl mehr aus der Ölpipeline Druschba (Freundschaft).

Auf der Unternehmensseite heißt es: „90 Prozent der Versorgung mit Benzin, Kerosin, Diesel und Heizöl in Berlin & Brandenburg wird von PCK sichergestellt. Wir bewegen Berlin und Brandenburg!“

Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) hat die neue Russland-Sanktion im Mai 2022 angekündigt.

Doch treffen die Russland-Sanktionen tatsächlich den Aggressor Wladimir Putin?

Putin selbst sagt nein

Auf dem 7. Ostwirtschaftsforum am 7. September 2022 in Wladiwostok sagte er:  „Ich möchte anmerken, dass diejenigen, die uns etwas aufzwingen wollen, heute nicht in der Lage sind, uns ihren Willen zu diktieren. Sie sollen zur Vernunft kommen. Dies ist überall in der Wirtschaft der Fall, auch in der Binnenwirtschaft.“

Putin sagte über die wirtschaftliche Lage Russlands: „Die Inflation ist rückläufig. Über das Jahr gesehen werden es etwa 12 Prozent sein, mit einem Abwärtstrend in Richtung fünf bis sechs Prozent, oder vielleicht das Ziel von 4 Prozent am Ende des ersten Quartals, das wir hoffentlich im zweiten Quartal sehen werden. Die Arbeitslosigkeit, der wichtigste Indikator für den Zustand der Wirtschaft, ist mit 3,9 % auf einem Tiefstand. Sie ist in allen entwickelten Volkswirtschaften viel höher.

Unsere Staatsfinanzen haben sich stabilisiert. Ich möchte darauf hinweisen, dass der diesjährige Haushalt einen Überschuss von fast 0,5 Billionen Rubel, also etwa 485 Milliarden Rubel (7,9 Milliarden Euro – Anmerkung der Redaktion), aufweisen wird.“

Der Journalist und Forumsmoderator Ilya Doronov vom Moskauer Wirtschaftsnachrichtensender RBC TV fragte Putin: „Wird die Begrenzung der Gaspreise starke Auswirkungen auf uns haben?“

Putin antwortete: „Sie verstehen, dass dies nur eine weitere Dummheit ist, eine weitere nicht-marktwirtschaftliche Lösung, die keine Zukunft hat.“

Putin weiter: „Wird es politische Entscheidungen geben, die den Verträgen widersprechen? Wir werden sie einfach nicht erfüllen und überhaupt nichts liefern, wenn es unseren Interessen, in diesem Fall den wirtschaftlichen, widerspricht. Wir werden kein Gas, Öl, Kohle, Heizöl oder sonstiges liefern.“

Scholz dagegen sagt ja, die Russland-Sanktionen wirken
Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD, rechts im Foto) im Interview mit der Magdeburger Volksstimme ©Bundesregierung/Kugler
Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD, rechts im Foto) im Interview mit der Magdeburger Volksstimme © Bundesregierung/Kugler

Am 30. August 2022 sagte Bundeskanzler Scholz der Magdeburger Volksstimme: „Die westlichen Sanktionen sind wirksam und richtig. Sie sind ein wichtiges Mittel, um den Druck auf Russland zu erhöhen, diesen Krieg endlich zu beenden. Denn die Kosten für Moskau sind erheblich. Das Land ist abgehängt vom technologischen Fortschritt der Welt. Je länger das anhält, desto größer wird der Schaden für Russland sein. Ein Ausscheren Deutschlands kommt für mich nicht infrage. Die starke und einheitliche Antwort Europas auf diesen Krieg hat Putin überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet.“

JP Morgan gibt allerdings eher Putin Recht und nur ein bisschen Scholz

Anatoliy Shal, Wirtschaftsexperte bei der New Yorker Großbank JP Morgan, kommentierte die Aussichten der russischen Wirtschaft am 12. August 2022 im spanischen Magazin FOCUS-ECONOMICS aus Barcelona so:  „Wir erwarten eine relativ schnelle wirtschaftliche Stabilisierung dank der erheblichen politischen Unterstützung des Wachstums und der Anpassung der Wirtschaft an die neuen Bedingungen und sehen das sequentielle Wachstum bis zum vierten Quartal 2022 nahe bei null; wir halten an unserer Wachstumsprognose von -3,5 % für dieses Jahr und -1 % für das nächste Jahr fest. Im Gegensatz zu früheren Episoden erwarten wir jedoch keinen starken Aufschwung, das heißt, die Erholung wird wahrscheinlich L-förmig und nicht V-förmig sein. Und auf lange Sicht werden die Sanktionen das Potenzialwachstum Russlands erheblich bremsen.“

Minus 3,5 Prozent Wirtschaftswachstum, das ist weniger als bei der Coronapandemie. JP Morgan hat damit eingeräumt, dass die russische Wirtschaft robuster sei, als gedacht. Außerdem sucht Putin neue Handelspartner, verkauft verstärkt Öl nach China und Indien.

Professor Dr. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf © Pressefoto IMK
Professor Dr. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf © Pressefoto IMK

Und noch etwas kommt dem Land zugute. Professor Dr. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf sagte FAKT: „Russland hat seit den Sanktionen 2014, also der Krim-Invasion, den Agrarsektor sehr stark ausgebaut. Das heißt, viele der alltäglichen Dinge, die man im alltäglichen Leben braucht, sind weiter da und sind gar nicht so viel teurer geworden. Das zeigt so ein bisschen, dass es möglicherweise (in Deutschland – Anmerkung der Redaktion) schlimmer ist, dass sich der Gaspreis vervierfacht und man sich im Winter das Heizen kaum noch leisten kann, als wenn man (in Russland – Anmerkung der Redaktion) kein I-Phone mehr bekommt.“ Also dort keine I-Phones mehr, aber wir frieren möglicherweise in Deutschland.

Im Gegensatz zu Europa hat Putin in Sachen Energie eine klare Strategie und verdient damit eine Menge Geld.

Unabhängige Forscher vom  gemeinnützigen Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) aus Helsinki veröffentlichten am 6. September 2022 folgende Zahlen: “Fossile Brennstoffe füllen dank hoher Preise weiterhin die Kriegskasse des Kremls.

► Russland hat in den ersten sechs Monaten des Krieges (24. Februar bis 24. August) 158 Mrd. EUR an Einnahmen aus der Ausfuhr fossiler Brennstoffe erzielt. Die EU importierte davon 54 % im Wert von etwa 85 Mrd. EUR.

► Die Exporte fossiler Brennstoffe haben seit Beginn der Invasion rund 43 Mrd. EUR zum russischen Staatshaushalt beigetragen und die Kriegsverbrechen in der Ukraine mitfinanziert.

► Der größte Importeur fossiler Brennstoffe war die EU (85,1 Mrd. EUR), gefolgt von China (34,9 Mrd. EUR), der Türkei (10,7 Mrd. EUR), Indien (6,6 Mrd. EUR), Japan (2,5 Mrd. EUR), Ägypten (2,3 Mrd. EUR) und Südkorea (2 Mrd. EUR).

► Die steigenden Preise für fossile Brennstoffe bedeuten, dass Russlands derzeitige Einnahmen weit über dem Niveau der Vorjahre liegen, obwohl das diesjährige Exportvolumen zurückgegangen ist.“

Der Wirtschaftsjournalist Maxim Kireev aus Sankt Petersburg berichtet FAKT über den Alltag: „Die wirtschaftliche Lage ist, wenn man das so im Großem und Ganzen beantwortet, noch relativ stabil. Die Preise sind natürlich sehr stark gestiegen. Für den gleichen Einkauf, den man im Februar 2022 gemacht hat und den man jetzt macht, da ist man für so alltägliche Konsumgeschichten bei locker plus 30 Prozent.“

Dafür seien aber die Energiekosten nicht so explodiert wie in Deutschland. Kireev: „An der Tanksäule bezahlt man genau das Gleiche wie damals. Die Mieten sind nicht hochgegangen. Die ganzen Tarife, die der Staat festlegt, sind nicht hochgegangen. Der Staat bemüht sich schon, da ein bisschen gegenzusteuern.“ Allerdings sehe er auch mehr leere Geschäfte, meint Kireev. Und dass es keine amerikanischen Blockbuster mehr gibt.

„Unmöglich, Russland zu isolieren“

Die russische Wirtschaft trotze den Sanktionen. Es sei „unmöglich“, so Putin am 7. September 2022 in Wladiwostok, sein Land international zu isolieren. „Egal, wie sehr manche Russland isolieren wollen, es ist unmöglich, dies zu tun.“

Die weltweite Nachfrage nach russischen Energielieferungen sei hoch. Russland werde keine Probleme haben, weltweit Abnehmer zu finden. So seien bereits sämtliche Eckpfeiler zum Verkauf von Gas an China über die Mongolei vereinbart worden.

Handwerker aus Sachsen-Anhalt: offener Brief an Bundesregierung

Am 14. Juni 2022 haben hochrangige sachsen-anhaltinische Handwerker, darunter der Kreishandwerksmeister Karl Krökel sowie mehrerer Obermeister der Kfz-, Sanitär-, Maler- und Friseurinnung aus Dessau-Roßlau, in einem offenen Brief an die Bundesregierung ein Ende der Sanktionen gegen Russland und ein Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert. Die Handwerker finden: Die Wirtschaftssanktionen beeinflussten die Kriegsführung nicht. Russland profitiere trotzdem vom Verkauf seiner fossilen Energieträger.

Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (68, CDU) hatte sich Mitte Juli 2022 zum Thema Russland-Sanktionen geäußert. Er sagte, die Maßnahmen dürften in Deutschland keinen größeren Schaden verursachen als in Russland. Es müsse legitim sein, darüber nachzudenken, welche Maßnahme was bewirkt habe.

Sanktionen also weg? Das könnte die EU zum Platzen bringen

Polen zum Beispiel fordert härtere Sanktionen. Und würde so etwas nicht mittragen. Und fix wie nix hätten wir eine EU-Krise, die Deutschland härter treffen würde als Putins Gasmanöver, durch weniger Gaslieferungen den Gaspreis zu erhöhen und das Leben in Deutschland zu verteuern.

Polen ist für Deutschland der wesentlich wichtigere Markt. Gerade auch für Betriebe in Ostdeutschland. Wert der deutschen Exporte 2021 nach Polen: 78,29 Milliarden Euro, nach Russland lediglich 26,64 Milliarden Euro. Eine verdammte Zwickmühle also.

Innerdeutscher Eklat auch um Deutschlands freiwillige Abschaltung der Druschba-Öl-Pipeline nach Schwedt

Während die EU ein Ölembargo nur auf russisches Tanklaster-Öl verhängen wird  (auf Druck Ungarns), verzichten Deutschland und Polen freiwillig auf russiches Pipeline-Öl. Deutschland schaltet die Öltrasse Druschba (Freundschaft) freiwillig ab, die die Raffinerien Leuna und Schwedt versorgt. Während für Leuna Alternativen gefunden wurden, wird für Schwedt noch eine Lösung gesucht. Die Anlage versorgt weite Teile Ostdeutschlands einschließlich Berlin mit Treibstoff.

Die für Schwedt zuständige Uckermark-Landrätin Karina Dörk (CDU) mahnte im rbb-Inforadio eine fehlende Lösung für die Raffinerie Schwedt nach dem Abschalten der Druschba-Leitung gibt: „Jetzt zu sagen, wir steigen aus ohne Alternative, ist für mich im Prinzip nicht akzeptabel.“

So wird das Werk betrieben vom russischen Staatskonzern Rosneft, der nach Angaben von Wirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90 / Die Grünen) kaum Interesse an einer Abkehr von russischem Öl hat. Die Versorgung mit Tanker-Öl über Rostock kann wegen begrenzter Kapazität der Zuleitung nach offiziellen Angaben kurzfristig nur 60 Prozent des Bedarfs im Petrolchemischen Kombinat PCK Schwedt decken. Mit Polen gab es Gespräche über eine zusätzliche Versorgung über Danzig – bisher ohne greifbares Ergebnis. Eine Umstellung der Anlage auf Grünen Wasserstoff benötige Zeit bis 2026, sagte Dörk.

In einem Brandbrief an Wirtschaftsminister Habeck vom 7. September 2022 drohen Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach und Finanzministerin Katrin Lange (beide SPD) mit dem Ausstieg aus der Task Force „Schwedt“ von Bund und Land, die den Weiterbetrieb der Erdöl-Raffinerie in der brandenburgischen Stadt Schwedt sichern soll: „Die Zeit drängt. Ohne konkrete Zusagen in der Sache, einen verbindlichen Fahrplan und eine bessere Transparenz wird für uns eine weitere Mitwirkung in der Task Force Schwedt und in den Arbeitsgruppen nicht mehr zielführend sein“, heißt es darin.

Die Raffinerie solle weiterhin ausreichend Öl für eine „vollständige Auslastung“ erhalten. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Umwandlung der Wirtschaftsregion müsse garantiert werden. Es dürfe durch das Embargo zu keiner „stärkeren finanziellen Belastung“ der Bürger:innen kommen.

Wörtlich heißt es: „Bislang sind leider kaum konkrete Fortschritte und Verabredungen in den eingesetzten Arbeitsgruppen Ihres Hauses unterhalb der Bund-Länder-Task-Force ‚Schwedt‘ erreicht worden.“

Dr. Habeck zeigt sich verwundert
Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (53, Bündnis 90 / Die Grüne) © BMWK / Dominik Butzmann
Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (53, Bündnis 90 / Die Grüne) © BMWK / Dominik Butzmann

Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (53, Bündnis 90 / Die Grüne) wies den Vorwurf des Stillstands bei der Suche nach Lösungen für den Standort zurück, beschrieb die Lage in Schwedt jedoch als „unbestritten schwierig“.

Habeck sagte, er habe das Schreiben „mit Verwunderung“ zur Kenntnis genommen, denn es liege ein umfängliches Transformationsprogramm vor. Damit wolle man den Standort und die Beschäftigung sichern. Dabei sei das Brandenburger Wirtschaftsministerium eng eingebunden und man warte noch auf eine Rückmeldung aus Brandenburg. „Der Ball liegt also in Ihrem Feld“, schrieb Habeck.

Scholz zeigt sich optimistisch für den Winter

 „Und weil wir so früh angefangen haben, als in Deutschland noch gar kein so großes Problembewusstsein da war, sind wir jetzt in der Lage, dass wir tapfer und mutig in diesen
Winter hineingehen können und dass unser Land das überstehen wird“, sagte der Bundeskanzler am 7. September 2022 bei der Generaldebatte über den Bundeshaushalt.

Scholz weiter: „Wir haben zwei erste Pakete von knapp 30 Milliarden Euro bereits beschlossen, jetzt kommt noch eins dazu, dass knapp 65 Milliarden Euro umfasst – alles zusammen eine ziemlich große Summe. Es dient dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger durch diese Zeit kommen, dass die Unternehmen durch diese Zeit kommen und dass
die Arbeitsplätze gesichert werden. ‚You’ll never walk alone‘, (Tino Chrupalla [AfD]: Jawohl!) das ist das Motto dieser Regierung. (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei
Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)“

Scholz weiter:  „Ich bin sicher: Unser Land wird über sich hinauswachsen. Wir werden zusammenhalten. Wir werden die Herausforderungen bestehen, (Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Trotz dieser Regierung!) vor denen wir jetzt stehen. Und wir werden die Probleme lösen, die wir miteinander haben, weil wir niemanden alleinlassen mit seinen Herausforderungen. Dazu dienen auch all die Entscheidungen, die wir jetzt getroffen haben, zum Beispiel die Entscheidung, zu sagen, dass, nachdem in diesem Monat die Energiepreispauschale an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezahlt wird, diese auch an Rentnerinnen und Rentner und Studenten gezahlt werden soll. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da haben wir euch zum Jagen tragen müssen!)“ (Bodo Hering)

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