Schildbürgerstreich in der Kollwitzstraße? Abriss trotz Genehmigung

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Die Eigentumswohnungen mit Sonnenterasse in der Kollwitzstraße 42 in Prenzlauer Berg nehmen den Hinterhof-Balkonen und -Fenster der Nachbarn die Sicht und müssen nun abgerissen werden (Foto: youtube/WAS!)
Die Eigentumswohnungen mit Sonnenterasse in der Kollwitzstraße 42 in Prenzlauer Berg nehmen den Hinterhof-Balkonen und -Fenstern der Nachbarn die Sicht und müssen nun trotz Baugenehmigung abgerissen werden (Foto: youtube/WAS!)

Hat das Bauamt Pankow nicht richtig hingeschaut? Nach fünf Jahren gab das Berliner Verwaltungsgericht dem Mitbesitzer eines Nachbarhauses in der Kollwitzstraße 40 in Prenzlauer Berg Recht, der sich durch den Neubau eines sechsstöckigen Seitenflügels in der Hausnummer 42 in seinen Hinterhof hinein eingeschränkt fühlt. „Der Bau wirkt erdrückend“, sagte der klagende Nachbar Dirk Stallmann (53) der Berliner Morgenpost.

Denn dieser Neubau lässt nur noch wenig Sonne in seine Wohnung an der Kollwitzstraße und versperrt die Sicht auf den Wasserturm am Kollwitzplatz.

Trotz der erteilten Baugenehmigung durch das Bauamt Pankow  im Jahr 2009 muss der 22 Meter lange und 400.000 Euro teure Anbau nun auf Anordung des Gerichts wieder abgerissen werden.

Betroffen sind Eigentumswohnungen mit Sonnenterrasse. Und ein zweistöckiger fensterloser Anbau für eine Kunstgalerie. Allerdings war nur eine neue Wohnung geplant. Die schon existierenden Wohnungen im Haus Kollwitzstraße 42 sollten in diesen Seitenflügel hinein verlängert werden.

Das Problem: Der Neubau wurde nur 70 Zentimeter entfernt vom  Nachbargegäude hochgezogen. Damit war die Baugrenze unterschritten. Nachbar Dirk Stallmann war gegen den Neubau vor Gericht gezogen, sagte damals zu B.Z.: „Unser Haus hat erheblich an Wert verloren.“

Die Bauherrin, eine Eigentümergemeinschaft, schlug einen Teilabriss des wie eine terrassenförmige Treppe angelegten fast bezugsfertigen Seitenflügels vor. Das wurde vom Verwaltungsgericht letztendlich abgelehnt. Auch ein reduzierter Anbau überschreite die faktische hintere Baugrenze und verstoße gegen die Abstandsflächen. Die Baubehörde sei gehalten, den vollständigen Abriss einer die Abstandsflächen nicht einhaltenden Baulichkeit anzuordnen.

Der damalige Baustadtrat (2006-2011) Dr. phil. Michail Nelken (64, DIE LINKE) und heutige Pankower Bezirksverordnete sagte dem rbb-Magazin WAS! im Jahr 2011 zur erteilten Baugenehmigung: „Wir sind hier im unbeplanten Innenbereich. Das heißt: Hier wurde nach Paragraph 34 entschieden, ob sich das Bauvorhaben nach Art und Maß der Nutzung einordnet. Und die Baubehörde ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich einordnet. Und deshalb muss man es genehmigen.“

Der dagegen klagende Rechtsanwalt Dr. Andreas Möller, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und seit 2011 Sozius und Partner bei von Trott zu Solz Lammek Rechtsanwälte GbR am Kurfürstendamm 29 in Berlin Charlottenburg, kontert: „Wenn man sich hier mal den Hof rundum ansieht, dann kann man sehen, dass hier nicht die ursprünglich vorhandenen Seitenflügel wiedererrichtet wurden. Nach dem Kried sind drei noch vorhandene Seitenflügel zu DDR-Zeiten bereits abgerissen worden, um die Belichtung und Durchlüftung des Hofes, die Qualität insgesamt, hier zu verbessern.

Und man kann auch sehr schön sehen, dass bei den Gebäuden, die nach der Wende saniert worden sind, dass hier nachträglich noch Balkone aungebaut wurden, die vorher nicht vorhanden waren. Es gibt durchgehende Fenster, die nicht erwarten lassen, dass hier irgendwelche Seitenflügel, Hinterhäuser oder Ähnliches errichtet werden.“

Die Bauherrin hatte für den Fall des Abrisses, im Fachjargon Rückbau genannt, bereits im Jahr 2011 gedroht: „Selbstverständlich werden wir den Bezirk Pankow und die Bauaufsicht auf Schadensersatz verklagen, sollte der Bau abgerissen werden müssen, womit wir nicht rechnen.“

Baustadtrat Nelken, der inzwischen von Jens-Holger Kirchner (Grüne) abgelöst wurde, blieb gelassen: „Dem Bauherren, der einen Bauantrag stellt, wird mitgeteilt, wenn ein Widerspruch gegen den Bauantrag eingelegt wird. Ab diesem Zeitpunkt baut der Bauherr auf eigenes Risiko.“

Dennoch müsste im Einzelnen geprüft werden, kommentierte der Verwaltungsrechtler Professor em. Dr. Dr. hc. Ulrich Battis an der Humboldt Universität zu Berlin, „ob man Amtshaftungsklage gegen das Bezirksamt erheben kann.“

Dass die Baugenehmigung überhaupt erteilt wurde, „ist angesichts dieses Innenhofes nicht nachvollziehbar“, sagte Dirk Stallmann gegenüber der Berliner Morgenpost. Stallberg weiter: „In Prenzlauer Berg wurden Höfe entkernt, damit Grünflächen entstehen“, so Stallmann. „Auf der anderen Seite baut man uns den Hof zu. Das ist ohne Sinn und Verstand.“

Schon 2013, als das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Baugenehmigung aufhob, sprach der neue Baustadtrat von Pankow Jens-Holger Kirchner von einem „richtungsweisenden Urteil für ganz Berlin“. Es werde all diejenigen in die Schranken weisen, so Kirchner, „die meinen, dass sie ihre Grundstücke in einer ähnlichen Dichte wie zur Gründerzeit bebauen müssten.“

Auch in den anderen Bezirken könnten sich Anwohner und Eigentümer auf dieses Urteil berufen. In Prenzlauer Berg werde das Thema seit langem diskutiert. „Jetzt werden diejenigen bestärkt, die eine hemmungslose Nachverdichtung kritisch sehen.“ Er gehöre auch dazu , sagt Stadtrat Kirchner. In den Gebieten, wo Hinterhöfe in den vergangenen Jahrzehnten entkernt wurden und Freiflächen entstanden, sei die Gerichtsentscheidung wichtig.

„Zum Beispiel am Arminplatz in Prenzlauer Berg, wo es viele Bauanfragen gibt.“ Dort sei Ende der 70er-Jahre entkernt worden. Ähnlich an der Husemannstraße. „Viele Investoren meinen, wo einst Hinterhäuser und Seitenflügel standen, könnte man sie wieder bauen. Das dürfte mit diesem Urteil schwieriger geworden sein.“ Der Verwertungsdruck für Grundstücke in Prenzlauer Berg sei enorm.

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2 KOMMENTARE

  1. Bitte das nächste Mal sauber recherchieren: Es klagte mitnichten nur ein Eigentümer der Eigentümergemeinschaft, sondern beide. Zweitens: Ausschlaggebend war für die Kläger keineswegs der Wertverlust (auch wenn es sich natürlich deutlich spannender liest…), sondern der Umstand, dass in den schmalen Innenhof ihres Hauses nur noch in einen winzigen Abschnitt etwas Sonne fiel. Die Bewohner des Hauses wurden sozusagen eingemauert, wo früher Licht in Wohnungen fallen konnte, steht nun eine riesige Mauer. Ähnliches gilt im übrigen auch für das Nachbaranwesen auf der anderen Seite der Kollwitzstr. 42. Lässt sich im übrigen alles im Netz finden und nachlesen…
    Der Schwerpunkt dieser absurden Posse liegt woanders: Zum einen war das Bezirksamt offenbar nicht in der Lage, Abstandsflächen entsprechend den Vorschriften zu prüfen. Daher auch die Prüfung eines Amtshaftungsanspruchs. Dieser dürfte sich allerdings in Grenzen halten, denn dem Bauherrn wurden bereits in einem sehr frühen Stadium mitgeteilt, dass Einwände vorlägen. Ab diesem Zeitpunkt baute er auf eigenes Risiko. Darüber hinaus wurde bereits im November 2010 per einstweiliger Verfügung ein Baustopp verhängt. Hätte sich der Bauherr, ein Rechtsanwalt, an die Rechtslage gehalten, hätte er einen großen Teil des Schadens vermeiden können. Nicht zuletzt als Anwalt hätte er ja schließlich wissen müssen, dass die Sache auf tönernen Füßen steht und sich zumindest entsprechend informieren müssen. Ob sich das Bauvorhaben letztlich in die Umgebung einfügt oder nicht, ist demgegenüber eher zweitrangig.
    Zum anderen dauert dieses Verfahren nunmehr offensichtlich sieben Jahre. Eine wahrlich lange Verfahrensdauer, die wohl für beide Parteien nicht unbedingt angenehm ist.
    Ich verfolge diesen Vorgang nun schon seit Jahren, gerade auch im Hinblick auf die zunehmende Verdichtung in unserem Kiez. Wir hatten leider nicht das Glück, gegen das Bauvorhaben gegenüber klagen zu können, da der Bezirk dort alles richtig gemacht hat. Dunkel, wenn auch sicher nicht so dunkel wie in diesem Fall, ist es dennoch. Dennoch bin ich froh, wenn ich sehe, dass hier offenbar doch nicht alles möglich ist und die Wohnqualität wenigstens hin und wieder erhalten bleibt.

  2. Der linke Philosophendoktor gehoert der selben Sorte Herr_Innen an, welche in der Verantwortung fuer den Schoenefelder „Herbert Frahm“ – Flughafen sind.

    Kennste eine Konsensdemokratenpissnelke, kennste alle.

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