Als Rüpel-Rapper wurde der Berliner Künstler Sido (bürgerlich Paul Hartmut Würdig, 34) vor elf Jahren mit dem Song „Mein Block“ berühmt, in dem er sich selbst in seinem angeblichen Ghetto, der Trabantenstadt Märkisches Viertel in Berlin Reinickendorf, anhimmeln lässt, wo er als Sohn einer alleinerziehenden Sinti zur Schule ging.
Er nannte sich selbst ein Jahr später in einem Song ein „Schlechtes Vorbild“. Damals versteckte der Rapper sein Gesicht hinter einer verchromten Totenkopfmaske, die er bei seinen Auftritten trug. Jetzt zeigt er sein Gesicht, wie es ist, mit Brille und leicht ergrautem Vollbart, und will mit seiner Musik auf Missstände aufmerksam machen.
Früher stand sein Künstlername für „Scheiße in dein Ohr“ (eine Zeile Sidos aus dem Royal-TS-Track Terroarr!). Jetzt wird der Name von ihm als Abkürzung für „super-intelligentes Drogenopfer“ interpretiert.
Früher veröffentlichte Sido unter dem Berliner Indipendend Label Aggro aus Berlin, das von 2001 bis 2009 existierte, nun steht Sido bei dem Label Urban/Universal Music aus Santa Monica und New York unter Vertrag.
Gelingt Sido der Imagewandel?
Diesen Monat ist sein neues Album „VI“ erschienen. Die Single-Auskopplung „Gürtel am Arm“ schockiert. Schonungslos beschreibt Sido das Elend eines Berliner Heroinabhängigen, der in einer Berliner Plattenbauwohnung mit zwei Hunden lebt und mit Diebstahl (Beschaffungskriminalität) seinen Drogenkonsum finanziert. Sein einziges Glück besteht in der Wärme, die er fühlt, wenn er sich das Gift in seinen Arm spritzt.
Wer hätte gedacht, dass ein deutscher Rapper jemals Heroinkonsum in seinem Musikvideo darstellen lässt, haftet doch Rappern von Hause aus der Hang zumindest zu weichen Drogen wie Gras an? Aber gehört Drogenkonsum, gemeint sind hier Szenen, in denen sich ein Junkie in Großaufnahme Heroin in den Arm spritzt, wirklich in ein Musikvideo?
Sido begab sich auf diese Ebene und präsentierte im Video „Gürtel am Arm“ den Alltag eines Unbekannten in ganzer Härte.
Am Anfang des Videos wird die Hauptperson „Kevin“ vorgestellt, was er am liebsten macht. Und anhand seiner äußerlichen Erscheinungsform kann man sofort erkennen, dass seine Haut kaputt wirkt.
Ebenfalls werden die Nebenwirkungen der Abhängigkeit wie Erbrechen der Speisen oder Depressionen thematisiert.
Doch warum konsumiert der Protagonist überhaupt Heroin?
Im Video wird gesagt, er tut es, „damit er nicht mehr spürt, wie sein Herz zerbricht.“ Man kann also nur spekulieren: Vielleicht hat er sich seine Zukunft durch den Drogenkonsum verbaut, hat Liebeskummer oder ist an anderen alltäglichen Dinge gescheitert, die ihm den Kopf zerbrechen.
Sido selbst beschreibt die dargestellten Szenen als sehr explizit. Er hatte früher in seiner Kindheit viele Menschen in seinem Umkreis, die Heroinprobleme hatten, er hat versucht, die Probleme niederzuschreiben und zu rappen.
Ohne Video hätte das Lied aber aus seiner Sicht keinen Sinn gemacht. Er wollte ein Video haben, das provoziert und zum Nachdenken anregt. Er ging nach eigener Darstellung mit offenem Herzen in den Videodreh und wollte die Wahrheit auf Band.
Er berichtete ebenfalls, dass der Protagonist des Videos tatsächlich heroinabhängig ist und der Konsum nicht gefaked ist. Ein Schauspieler hätte den Effekt möglicherweise auch gespielt, aber so sieht jeder der Wirklichkeit sprichwörtlich ins Gesicht.
Mit diesem Video wollte er den Konsum aber nicht unterstützen, kommentierte Sido sein Werk. Das Video zeigt nur negative Dinge des Lebens, aber das Positive ist der Text, der dem Hörer eine Geschichte erzählt, die er mitverfolgen kann. Die Gedanken kommen dann von ganz alleine.
Nach dem Hören wirkt tatsächlich nach, wie traurig das Lied ist, da viele deutsche Bürger jeder Berufsschicht mit dieser Droge Kontakt haben. Sido will seine Hörer und Fans darauf aufmerksam machen, was Drogen aus einem machen können. Ebenfalls will er seine Fans in eine richtige Richtung lenken, in eine drogenfreie Richtung, da er wohl am besten weiß, wie schnell man in die Drogenszene abrutschen kann.
Er hat sich mit diesem Werk in der deutschen Szene durch seinen Imagewechsel wohl endgültig in ein positives Licht gerückt und eignet nun auch als ein Idol für viele Kinder. Vielleicht, weil Sido zweifacher Vater ist. Sein jüngster Sohn ist am 14. August diesen Jahres zwei Jahre alt geworden.
Es spricht nicht gerade für unsere Gesellschaft, wenn große Teile unserer Jugend auf die Verherrlichung von Drogen und Gewalt abfahren. Wenn Sido seine Fans vor Drogen warnen will, dann finde ich das gut. Traurig ist aber, dass die jungen Leute sich überhaupt so sehr nach dem Drogenkonsum sehnen, weil die Welt ohne Drogen für sie nur schwer zu ertragen ist. Auch das spricht nicht für unsere Gesellschaft.
Comments are closed.