Im Berliner Gleimtunnel, der Gesundbrunnen mit Prenzlauer Berg verbindet, wurden bei der Sturzflut am 27. Juli 2016 mindestens 40 Autos ineinander und übereinander gestapelt, nachdem der Wasserpegel dort Hüfthohe erreicht hatte und die Autos in den Tunnel gespült wurden.
Der Tunnel wurde nach der Regen-Katastrophe gesperrt und soll in der kommenden Woche wieder befahrbar sein. Das kündigte Pankows Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) am gestrigen Dienstag (2. August 2016) im rbb-Inforadio an. Noch aber gibt es kein Gutachten über die Unwetterschäden – weil plötzlich keiner der zuständige Besitzer des Tunnels sein will. Konkret geht es um die möglicherweise unterspülten Widerlager unter den Bahnschienen, unter denen der Tunnel hindurchführt und die den Tunnel tragen.
Der westliche Teil in Gesundbrunnen gehört nach einem Verkauf inzwischen der Groth-Gruppe, die auf einem Teil des erweiterten Mauerparks Wohnungen baut, wie Berlin Journal berichtete. Der Verkauf an der Nordfläche des Mauerparks durch die Alteigentümerin, die österreichische börsennotierte Gesellschaft CA Immo AG, an die als „Investor“ eingesetzte „Groth u-Invest Elfte GmbH & Co Gleimstraße KG“ nahm den Gleimtunnel ausdrücklich aus.
Der östliche Bereich in Prenzlauer Berg gehört dem Land Berlin. Für die Widerlager, die die Brücke tragen, ist nach Auffassung von Pankows Baustadtrat Kirchner wiederum die Bahn zuständig – zumindest auf „seinem“ Gebiet in Prenzlauer Berg. Er beruft sich auf einen entsprechenden Vertrag. Die Bahn dagegen hält sich nach Angaben eines Sprechers für nicht mehr zuständig. Sie sei kein Eigentümer mehr.
Die Bahn wartet auf den Grundbucheintrag
Die Folge: Beide Seiten können sich nicht einigen, wer einen Gutachter beauftragt und bezahlt, der feststellen soll, ob das Widerlager durch die Wassermassen unterspült worden ist und dann saniert werden müsste. Die Bahn habe erst einmal verlangt, ihr einen Grundbucheintrag zu schicken, sagte Kirchner am Montag verärgert. Und seither rege sich nichts.
Aber einen Grundbucheintrag über die Widerlager kann es gar nicht geben. Laut Pankower Allgemeiner Zeitung war der Gleimtunnel bei allen Vermarktungsaktivitäten der Bahnflächen ausgenommen und gehört immer noch der Deutschen Bahn AG. Im Einzelnen listet die Pankower Allgemeine Zeitung auf: Das ehemalige Bahngelände des ehemaligen Alten Nordbahnhofs befand sich von 1877 bis 1985 im Eigentum der Reichsbahn (ab 1945 – Deutsche Reichsbahn der DDR). Mit der deutsche Wiedervereinigung ging das Gelände 1993 einschließlich des Gleimtunnels mit dem Übergang der Deutsche Reichsbahn der DDR ins Sondervermögen des Bundes (Einigungsvertrag) über.
1994 kam es zur Fusion von Deutscher Reichsbahn und Deutsche Bundesbahn zur DB AG.
Mit der Gründung der Vivico Real Estate GmbH für Vermarktung von nicht betriebsnotwendigen Bahnflächen im Jahr 2001 entstand ein neuer Eigentümer, der zu 94,99 % dem Bundeseisenbahnvermögen und zu 5,01 % der Bundesrepublik Deutschland zugeordnet war.
Unter Finanzminister Steinbrück wurde die Vivico Real Estate GmbH nach EU-Ausschreibung zur Privatisierung ausgeschrieben und für 1,03 Milliarden Euro an an die österreichische börsennotierte Gesellschaft CA Immo AG verkauft.
Doch der Gleimtunnel war in dem Verkauf ausdrücklich ausgenommen. Eine Ausnahmeklausel in dem Vertrag nahm ausdrücklich alle Brückenbauwerke und Tunnel über öffentlichen Straßenland aus. So wurde der Gleimtunnel zu einem „hybriden immobilen Objekt“, das durch eine im öffentlichen Besitz des Landes Berlin befindliche Straße durchquert wird, und das zwei nicht vermessene dicke Tunnel-Seitenwände und Widerlager hat. Obendrein führt der Gleimtunnel auch noch über die Bezirksgrenze zwischen Berlin-Mitte und Pankow.
Da das „hybride Tunnelobjekt“ durch rechtsgeschäftliche Klauseln der Bahnprivatisierung definiert wurde, hat der Gleimtunnel auch kein eigenständiges ordentliches Grundbuchblatt. Eigentlich müssten für die jeweilichen Tunnelseitenwände und Widerlager zwei Grundbücher erstellt werden. Für die Tunneldecke müsste eine „Baulast“ über öffentlichen Straßenland eingetragen werden.
Pankows Baustadtrat Kirchner versucht den gordischen Knoten zu durchschlagen: „Mir ist die Zuständigkeit relativ egal.“
Kirchner sagte gestern dem rbb Inforadio: „Die Bahn sagt, sie sind nicht zuständig, weil das seit 1985 kein Bahnbetrieb mehr war. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sagt, wir sind auch nicht zuständig, weil die Rechtslage ungeklärt ist. Mir ist die Zuständigkeit relativ egal.“ Der Bezirk Pankow wolle jetzt selbst aktiv werden und zunächst Baupläne der Brücke besorgen. Dann werde man die Brücke mit Hilfe der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von einem Experten begutachten lassen und die nötigen Sanierungsarbeiten in Auftrag geben. Geprüft werden muss unter anderem, ob die Widerlager, die das Bauwerk tragen, unterspült wurden.
Pläne der Denkmalschützer könnten helfen
„Wir werden jetzt erstmal die Pläne besorgen“, sagte Kirchner. „Die liegen ja bei der Deutschen Bahn. Wir suchen gerade selber noch, ob wir welche haben aus dem Denkmalbereich.“ Dann könne man die Senatsverwaltung um Amtshilfe bitten, ein Kurzgutachten von einem Brückenexperten erstellen zu lassen.
Der Teil des Tunnels, der durch Prenzlauer Berg verläuft, soll bereits Ende der laufenden Woche fertig saniert sein, wie der Bezirk Pankow am Dienstag mitteilte.