Von Armut befreien: Linksruck im Abgeordnetenhaus

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Berlins LINKEN-Spitzenkandidat Klaus Lederer holte mit seinem Slogan "Wem gehört die Stadt" viele Zurückgelassene ab. DIE LINKE hat nun gleichauf mit den Grünen 27 Sitze, 8 mehr als vorher (Foto: Facebook/Klaus Lederer)
Berlins LINKEN-Spitzenkandidat Klaus Lederer holte mit seinem Slogan „Wem gehört die Stadt“ viele Zurückgelassene ab. DIE LINKE hat nun gleichauf mit den Grünen 27 Sitze, 8 mehr als vorher (Foto: Facebook/Klaus Lederer)

„Berlin ist nicht nur hip. In keiner Metropole wohnen so viele arme Menschen, wie in Berlin“, sagte Klaus Lederer (DIE LINKE). Mit dem Versprechen, die Menschen von Armut zu befreien, machte sich DIE LINKE zum „wahren Wahlsieger“ bei der gestrigen Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus.

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat 160 Sitze, die Mehrheit liegt also bei 81 Sitzen. Die SPD gewann die Wahl mit 21,6 Prozent (-6,7 Prozent im Vergleich zur Vorwahl) und erhält 38 Sitze (9 weniger als vorher).

Die CDU erhielt 17,6 Prozent (minus 5,7 Prozent) und zieht mit 31 Sitzen (8 Sitze weniger) ins Parlament. Das schlechteste Ergebnis der CDU in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

DIE LINKE gewann 15,6 Prozent der Wählerstimmen (plus 3,9 Prozent) und zieht mit 27 Sitzen (8 mehr) ins Parlament.

Bündnis90/Die Grünen erzielte 15,2 Prozent der Wählerstimmen (minus 2,4 Prozent) und zieht mit 27 Stimmen (2 weniger) ins Parlament.

Die AfD holte aus dem Stand 14,2 Prozent der Wählerstimmen und zieht mit 25 Sitzen ins Parlament.

Die FDP kam auf 6,7 Prozent der Wählerstimmen (bei letzter Wahl 2,8 Prozent) und erhält 12 Sitze im Parlament.

Die Piraten sind mit 1,7 Prozent der Wählerstimmen nicht mehr im Parlament vertreten.

Die Sonstigen erhielten zusammen 7,4 Prozent der Wählerstimmen und sind jeweils nicht im Parlament vertreten.

Die neue Sitzverteilung der 160 Sitze im Berliner Abgeordnetenhaus (Foto: Die Landeswahlleiterin Berlin / Amt für Statistik Berlin-Brandenburg)
Die neue Sitzverteilung der 160 Sitze im Berliner Abgeordnetenhaus (Foto: Die Landeswahlleiterin Berlin / Amt für Statistik Berlin-Brandenburg)

Die Wahl pflügte das Berliner Parlament regelrecht um.

Zwar darf SPD-Bürgermeister Michael Müller weiter regieren. Die SPD hat mit 21,6 Prozent der Stimmen weiter die Nase vorn. Aber die SPD ist der kleinste Wahlsieger aller Zeiten in der bundesdeutschen Geschichte. SPD-Chef und Bundesvizekanzler Sigmar Gabriel fand auf der SPD-Wahlparty folgende Worte: „Berlin bleibt sozial und anständig. Das ist das Ergebnis.“ Sigmar Gabriel hat DEN LINKEN mal die Regierungsfähigkeit abgesprochen. Das ändert sich.

LINKEN-Spitzenkandidat Klaus Lederer: „Wir haben die Mehrheit im Osten geholt und bekamen im Westen Stimmen im zweistelligen Bereich. Wir sind die wahren Wahlsieger.“ Eine Aussparung des Themas Industrie wehrt Lederer ab. Der LINKEN-Abgeordnete Harald Wolf habe als Wirtschafssenator von 2002 bis 2011 in Berlin die Kehrtwende zu mehr Investitionen in Industrie und Kulturbetrieb eingeleitet. Nun müsse man auch  Arbeitsplätze für Geringqualifizierte schaffen und die Einkommen der Armen erhöhen.

Ein dritter Sieger ist die Alternative für Deutschland AfD. Sie mobilisierte viele Nichtwähler und sorgte für eine Wahlbeteiligung von 66,9 Prozent. Die AfD holte aus dem Stand 14,2 Prozent und zieht nun ins zehnte bundesdeutsche Parlament ein. Spitzenkandidat Georg Pazderski will kräftig mitmischen: „Wir wollen die Sicherheit in Berlin erhöhen und wollen 2.000 neue Polizisten einstellen. Und wir setzen uns für Bildung ein.“ Pazderski erinnerte daran, das Berlin schon zum zweiten Mal den vorletzten Platz im deuschlandweiten Bildungsranking belegte. Berlin gehe es nicht gut. Der Schuldenabbau im dreistelligen Millionenbereich sei nur wegen der niedrigen Zinsen gelungen. Berlin habe immer noch 60 Milliarden Schulden. „Wir wollen ganz normalen Bürgern zu Grundeigentum verhelfen, zu eigenen Wohnungen. Als Sicherung, um sie raus aus der Abhängigkeit zu holen.“

Ein weiterer Gewinner sind Bündnis90/Die Grünen. Spitzenkandidatin Ramona Pop punktete mit einer Revolution des Fahrradverkehrs in Berlin und damit, die Bürger stärker einzubinden anstelle von Masterplänen von oben. Man brauche nicht nur Wohnungsbau, sondern, wenn die Stadt wächst, die dazugehörige Infrastruktur wie Schulen, Kitas und Verkehrswege.

Sebastian Czaja setzte alles auf eine Karte und holte mit seiner Forderung, den Flughafen Tegel zu erhalten, seine Partei FDP von der Versenkung von 2,8 Prozent wieder mit 6,7 Prozent ins Abgeordnetenhaus. Czaja: „Wir wollen Vertrauen zurückgewinnen.“ Doch im Gegensatz zur AfD, die auf die Ängste setze, mache seine Partei Mut und setze auf Investitionen.

Der große Verlierer ist die CDU und damit die große Koalition aus SPD und CDU (rot-schwarz).

„Man hat uns vor fünf Jahren die Macht gegeben. Und man hat sie uns nun wieder genommen. Das akzeptiere ich, sonst wäre ich ein schlechter Demokrat“, bedauert CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel. Der Berliner Senat ist der zweitunbeliebteste Senat in der ganzen Bundesrepublik. Henkel übernehme auch persönlich die Verantworung. Auf die Frage, ob er als Innensenator zurücktritt, sagte er: „Ich bleibe im Amt.“ Und: „Der Stadt geht es besser als vor 5 Jahren.“ Henkel erinnerte daran, dass er mit dem Koalitionspartner SPD auf Zusammenhalt setzte, doch wenn dann der Regierende es sich zum Hobby machte, bei öffentlichen Gelegenheiten gegen seinen Koalitionspartner zu wettern, ist der Zusammenhalt für die Wähler schwer zu erkennen. Auch bedauerte Henkel, dass sich die Schwesternparteien CDU und CSU öffentlich entzweiten. Henkel: „Rückendeckung sieht anders aus.“

Grünen-Chefin Ramona Pop erinnerte aber bezüglich des Zusammenhalts zwischen SPD und CDU an die letzte Abgeordnetenhaussitzung vor der Wahl. 23 Anträge zur Flüchtlingspolitik mussten wieder gestrichen werden, weil sich die Koalitionspartner nicht einigen konnten, zum Beispiel wohin Flüchtlinge aus Turnhallen verlegt werden sollen, obwohl es inzwischen genügend Unterkünfte gebe. Ihre Partei stehe auf keinen Fall für eine Verlängerung dieser nun  abgewählten rot-schwarzen Koalition zur Verfügung. Sie wolle einen Neuanfang. Auch sie sieht einen Linksruck, der sogar Auswirkungen auf die Bundestagswahl im Herbst 2017 haben könnte.

Henkel bedauerte, dass die unter ihm eingeleitete positive Entwicklung mit einer Linksaußenkoalition nach seiner Ansicht nicht weitergehen werde.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat einen persönlichen Sieg eingefahren: „Ich bin der beliebteste Politiker in Berlin.“ Aber er sei auch selbskritisch: „Wir müssen in vielen Dingen besser und schneller werden. Wir müssen mehr investieren.“ Kritiker werfen ihm vor, dass er mit seiner eingeleiteten Investitionswende zu spät kam. Es gab noch nie so eine kleine Partei in einem bundesdeutschen Parlament, die nun eine Koalition führen muss.

Henkel betonte am Wahlabend: „Es ist kein guter Tag für die Volksparteien.“ Er erinnerte an Erfolge wie die niedrigste Arbeitslosenquote in Berlin seit der deutschen Wiedervereinigung. Doch die seien bei Mann und Frau nicht angekommen. Sebastian Czaja sprach jedoch von einem „kollektiven Wegducken“, was es nicht mehr geben dürfe.

Zum Reizthema Großflughafen BER gab Frank Henkel, der auch im Aufrsichtsrat sitzt, zu, dass dieser kein Ruhmesblatt ist. Es werde immer nur diskutiert, dass die Kosten steigen. Das liege daran, dass er ständig umgeplant werde. Der BER müsse aber endlich mal ans Netz gehen.

Grünenchefin Pop sagte, sie saß nicht im Aufsichtsrat. Ihrer Meinung nach müsse man einen Kassensturz machen und dann solide zu Ende bauen.

Die Tegel-Flughafenbefürworter kritisieren, dass man wohl inzwischen einen Tag vor dem Flug aufbrechen müsste, um den BER überhaupt zu erreichen. Auf die Frage, ob die Grünen immer noch den A100-Ausbau blockieren wollten und eine Koaltion an diesem Punkt scheitern könnte, gab Pop keine Antwort.

Die SPD wolle unter Müller die eingeleitete Investitionswende fortführen und zum Beispiel alle Berliner Schulen durchsanieren.

Lederer (LINKE) wünscht sich mehr und ein hochmotiviertes Personal im öffentlichen Dienst, damit die geplanten Investitionen auch verbaut werden können. Es liegen 650 Millionen Euro ungenutzt im Topf.

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13 KOMMENTARE

  1. Wie gut „Links“ funktioniert sieht man ja gerade schön in Venezuela, wo Kinder verhungern. Wer auf diese Karte setzt, hat schon verloren.

  2. Ein schönes Ergebnis! Endlich wieder eine Opposition im Abgeordentenhaus!
    Rot-rot-grün wird nicht viel anders machen als rot-schwarz. Das letzte Geld wird noch rausgeworfen für „Flüchtlinge“ und politikorrekte „Minderheiten“. Dann ist Ende der Fahnenstange. Da werden die Armen lange warten können.

    • Das wichtigste ist doch das die Berliner Politiker und deren sog. Flüchtlinge™ bestens versorgt sind. Der Rest möchte bitte das Maul halten und brav Steuern zahlen.

  3. Wenn ich das Berliner Wahlergebnis sehe, muss ich leider meine geplante Berlinreise stornieren. Da ich ein Auto fahre, das sogenannten linken Aktivisten ein Dorn im Auge sein dürfte, fürchte ich um die Sicherheit meiner Familie. Da die sich abzeichnende Berliner Regierung diese sogenannten Aktivisten eher unterstützt, statt dass sie für Sicherheit sorgt, kann ich die Stadt nicht besuchen. Ich werde statt dessen vielleicht mal nach Mecklenburg-Vorpommern reisen.

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