Die Zeiten, in denen es kein Problem war, in Berlin eine bezahlbare Wohnung in guter Lage zu finden, sind vorbei. Noch vor einigen Jahren schaute der Berliner mitleidig auf Hamburger oder Münchner, die viel Geld für ihre Miete oder den Immobilienkauf aufbringen mussten. Inzwischen verzweifelt er selbst daran, dass Wohnungen in seinem liebgewonnenen Szene-Kiez kaum mehr zu bezahlen sind.
Doch wieviel geben die Berliner tatsächlich für das Wohnen aus? Mit dem aktuellen Erschwinglichkeitsindex EIMX geht ImmobilienScout24 dieser Frage auf den Grund. Der EIMX untersucht das Verhältnis von Kaufkraft pro Haushalt und den Wohnkosten in der Hauptstadt.
Wo ist es in Berlin am teuersten?
Jährlich wächst Berlin um rund 45.000 Neu-Berliner. Durch den anhaltenden Zuzug fehlt es an Wohnraum und in begehrten Wohngebieten steigen die Immobilienpreise. Es sind besonders die zentralen Lagen mit Gründerzeitbebauung, die nachgefragt werden: Mitte, Prenzlauer Berg, Kreuzberg und Friedrichshain. Diese Bezirke gelten immer noch als „Szene-Bezirke“ mit hoher Anziehungskraft. Aber auch altgewachsene Stadtteile wie Grunewald, Wilmersdorf und Friedenau mit höherem Grünflächenanteil und guter Sozialstruktur erfreuen sich großer Beliebtheit.
Im Durchschnitt wenden Berliner über 21 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für das Wohnen auf.
In den Top10-Stadtteilen liegt der Wohnkostenanteil („kalte“ Immobilienkosten – also ohne Betriebs- und Nebenkosten) zwischen 25 und fast 31 Prozent – also deutlich über dem Schnitt. Mitte und Prenzlauer Berg sind dabei die teuersten Wohngegenden.
„In Mitte sind die Preise in den letzten Jahren sehr stark gestiegen. Hier trifft eine große Nachfrage auf ein immer geringer werdendes Angebot. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Preisentwicklung“, so Jan Hebecker, Leiter Märkte und Daten bei ImmobilienScout24.
„Da Mitte eine vergleichsweise junge Einwohnerstruktur mit vielen Studenten hat, hinken die Haushaltsnettoeinkommen im Vergleich zu wohlhabenden Stadtteilen wie Grunewald hinterher. Gemessen am Einkommen ist hier der Wohnkostenanteil am höchsten.“
Wo ist der Wohnkostenanteil am stärksten gestiegen?
Am stärksten ist die prozentuale Zunahme der Wohnkosten von 2011 zu 2014 in Neukölln und Kreuzberg mit rund 5 beziehungsweise 4 Prozent.
Gerade Neukölln hat in den letzten Jahren einen regelrechten Aufschwung erlebt. Wem Kreuzberg oder Friedrichshain zu teuer ist, der weicht auf Neukölln aus. Neben alteingesessenen Bewohnern prägen vor allem junge Zuzügler das Bild Neuköllns. Sie kommen hierher, weil die Wohnungs- und auch Ladenmieten im Vergleich zu anderen Bezirken noch erschwinglich sind. Doch die große Nachfrage hat im wahrsten Sinne des Wortes ihren Preis und mit 8 Euro kann man den Quadratmeterpreis für Miete in Neukölln nicht mehr „Schnäppchen“ nennen.
Wo ist es in Berlin am günstigsten?
Im Verhältnis zu ihren Einkommen am günstigsten Wohnen die Bewohner der Ortsteile Schmöckwitz (Köpenick) und Waidmannslust (Reinickendorf). Dort müssen nur 14,2 beziehungsweise 14,8 Prozent des Einkommens für das Dach über dem Kopf aufgewendet werden.
Das liegt im Falle des Reinickendorfer Ortsteils Waidmannslust am günstigen Mietniveau (Angebotsmieten 2014: 5,58 Euro/Quadratmeter).
Die Schmöckwitzer dagegen verfügen laut Erschwinglichkeitsindex über die berlinweit höchste Kaufkraft pro Haushalt und Jahr (49.568 Euro).
Immobilienexperten gehen davon aus, dass die Wohnkosten weiter steigen werden – und dass trotz der Einführung der Mietpreisbremse im Juni 2015. Das zumindest legen die auf den Internetportalen aktuell erfassten Angebotsmieten nahe – egal ob es sich um Immowelt.de (9,60 Euro/Quadratmeter in 9/2015) oder Immobilienscout24 (8,50 Euro/Quadratmeter in 8/2015) handelt.
„Wir müssen leider davon ausgehen, dass die Mietpreisbremse keine Wirkung zeigt“, sagt Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins (BMV), der Berliner Morgenpost. Die Entwicklung zeige, dass die Vermieter sich in der Regel nicht an die Mietpreisbremse halten würden, denn die durchschnittliche Kappungsgrenze (ortsübliche Vergleichsmiete plus zehn Prozent) liege bei 6,42 Euro je Quadratmeter und Monat.
Wild kritisiert, dass Mieter nur schwer herausfinden könnten, wie hoch die preisrechtlich zulässige tatsächlich sei. Und weil es so viele Ausnahmen gebe, könne der Mieter auch nicht sicher sein, ob außer Ärger überhaupt etwas dabei herausspringe, wenn sie dem Vermieter gleich zu Beginn des Mieterverhältnisses eine Rüge erteilten. Der BMV fordert deshalb, dass das Gesetz nachgebessert wird. „Die Ausnahmen müssen abgeschafft und die Vermieter verpflichtet werden, bei Vertragsabschluss die Miethöhe zu begründen“, so Wild.
Über den Erschwinglichkeitsindex EIMX
ImmobilienScout24 analysiert mit dem Erschwinglichkeitsindex EIMX das regionale Verhältnis von Kaufkraft pro Haushalt und Wohnkosten. Die Analyse wurde erstmals 2013 durchgeführt (Auswertungszeitraum war von 2007 zu 2012). Die aktuell ausgewerteten Daten stammen aus 2014.